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Digital Natives auf Williams Insel

TdJW greift PC-Spielsucht bei Jugendlichen auf

Am 4. März 2016 feierte das Stück „Der Sturm – Lost in the Game“ am Theater der Jungen Welt Premiere. Regisseur Jan Jochymski thematisiert darin Beweggründe und Risiken von Computer- und Online-Spielen. Schirmherrin der Produktion ist die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler. Als „Game“ fungieren Handlung und Schauplatz von William Shakespeares Drama „Der Sturm” aus dem Jahr 1611. Die Darstellenden agieren jeweils in Doppelrollen als Spieler und Alter Ego im Computerspiel „Die Insel“. Das ist meist kurzweilig, wirkt als Übersetzung von Shakespeares Klassiker in die virtuelle Welt aber auch bemüht.

Im Anfangsbild der Inszenierung wird sofort ein Risiko von Computerspielen deutlich – Isolation: Man sieht eine Gruppe junger Menschen. Alle starren und tippen auf Tastaturen und haben die Kapuzen ihrer schwarzen Pullover tief ins Gesicht gezogen – die Anderen um sich herum nehmen sie gar nicht wahr. Erst als sie beginnen ihre Figuren im Spiel – genannt Avatare – vorzustellen (Name, Geschlecht, Level etc.), kommt Leben in die Bude und dann geht alles ganz schnell: Das Spiel beginnt – The Game is on!

Ein Sturm stürzt die Bühne ins Chaos. Dieser wurde heraufbeschworen vom Zauberer Prospero, der von seinem Bruder Antonio (Stephan Fiedler) und Alonso, dem König von Neapel (Katja Bramm) um sein Herzogtum Mailand gebracht wurde. Nun lässt Prospero seine Kontrahenten durch den Sturm an den Strand seiner Exil-Insel pusten, um zum ultimativen Racheschlag auszuholen. Hilfreich zur Seite stehen ihm dabei der Luftgeist Ariel und der animalische Hexensohn Caliban. Anna-Lena Zühlkes Gesang als Ariel, der die Schiffbrüchigen anlockt, überzeugt in Kombination mit den Sounds von Sven Springer ebenso, wie ihr teils unterwürfiges, teils manipulatives Spiel. Raffiniert sind auch Voodoo-Video-Projektionen, die Ariel immer wieder behutsam neu arrangiert, als auch das Spiel mit Licht und Rauch. Sven Reese gibt den Zauberer überzeugend als Wissenschaftler im Wahn, Kevin Körber den Caliban als Kreatur außer Rand und Band. Umschnitt, Realität: Nun ist der Zuschauer Gast in einer Selbsthilfegruppe Spielsüchtiger, die nachvollziehbare Gründe für das Spielen nennen: Langeweile, Spaß, gewinnen, etwas bewegen, als Computer-Avatar alles tun und alles sein können.

Zurück auf der Insel mit ihren blumigen Kostümen, wo herabhängende Schläuche ein 90er Jahre Cyberspace-Feeling verbreiten (Ausstattung: Andreas Auerbach), finden und verlieben sich Prosperos Tochter Miranda (Katja Göhler) und der Königssohn Ferdinand (Benjamin Vinnen). Auch die Computerspieler Mira und Fritz, die hinter den Alter Egos Miranda und Ferdinand stehen, lernen sich näher kennen und mögen: Mira erzählt Fritz auf eindrückliche Weise von ihrer Spielsucht und dem Kern derselben („Ich habe kein Problem mit dem Game, sondern dem Gegenteil!“) und er von seinem Klarkommen im realen Leben – wie er sich analog zu den Computerspielen selbst Aufträge erteil: „Quest: Hole Milch!“ Das ist traurig und amüsant zugleich. Trotz ihrer Schlichtheit sind die Szenen dieser Geschichte sehr stark. Auf der Insel amüsieren derweilen die Bediensteten des Königs Stephano (Stephan Fiedler) und Trinculo (Martin Klemm), die gemeinsam mit Caliban die Insel-Herrschaft übernehmen wollen, mit Slapstick-Einlagen und uritalienischem Slang. [...]