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Menschen des 21. Jahrhunderts

Ein Langzeitprojekt des Fotografen Joerg Lipskoch

Seit 2013 bewegt sich Joerg Lipskoch aus Halle auf den Spuren seines Berufskollegen August Sander, der mit seiner Bildserie „Menschen des 20. Jahrhunderts“ die Gesellschaft der Weimarer Republik dokumentierte. Lipskoch überträgt diesen Ansatz auf die Gegenwart. Die bisherigen Ergebnisse seines Projekts „Menschen des 21. Jahrhunderts“ sind derzeit im Rahmen der Ausstellung „Mit anderen Augen. Das Porträt in der zeitgenössischen Fotografie“ in der Photographischen Sammlung Köln zu sehen. Die KiPPE traf den Fotografen zum Gespräch.

KiPPE: Welche Grundidee verfolgen „Menschen des 20. Jahrhunderts“ und „Menschen des 21. Jahrhunderts“?
Joerg Lipskoch: Der Ansatz ist ähnlich. Es sind Porträtserien, die in verschiedene Mappen aufgeteilt sind. Bei mir gibt es zehn Mappen. Jede umfasst einen Lebensbereich. Es geht los mit „Familie und Beziehungen“ und endet mit „Letzte Dinge“ – da geht es um alles, was mit dem Tod zu tun hat. Dazwischen kommen Arbeit, Freizeit, Kunst, Kultur usw. Bei Sander waren die Mappen komplett anders aufgeteilt, mehr ständisch orientiert, was sich ja mittlerweile überholt hat, angefangen bei den Bauern bis hin zu Beamten und Adligen. Beide Serien sollen ein Abbild der Gesellschaft sein, im Grunde soll alles menschliche Streben und Tun darin vorkommen, was sich in Porträts zeigen lässt.

Wie bist du darauf gekommen, die Idee von August Sander aufzugreifen?
Irgendwann hatte ich ihn wiederentdeckt. Man kennt ja in der Regel nur die Ikonen dieser Reihe wie den Konditormeister. Deshalb war ich sehr angetan davon, wie vielschichtig und umfangreich Sanders Serie ist. Wenn man sich mit Fotografie beschäftigt und gern Porträts fotografiert, drängt sich dieses Konzept sofort auf. Außerdem kommt es meiner Sammelleidenschaft entgegen. Auch bin ich keiner, der gern Einzelfotos macht. Serien waren schon immer mein Ding.

Wie findest du die Leute, die sich fotografieren lassen?
Am Anfang lief das vor allem über Freundeskreis und Familie, später über Mundpropaganda sowie Recherche und offizielle Anschreiben, in dem ich das Projekt vorstelle. Eine weitere Möglichkeit sind aber auch zufällige Begegnungen – wie z.B. im Fall der Angehörigen des Wachbataillons der Bundeswehr. Die haben in Berlin auf der Straße Spenden gesammelt und ich habe sie angesprochen.

Und wenn die Leute sich bereit erklärt haben, wie läuft so ein Shooting ab?
Wir verabreden uns und dann ist alles sehr spontan. Die Frage nach Licht und Hintergrund ist immer am wichtigsten. Meistens dauert es nicht länger als fünf Minuten. Ich mache viele Fotos, damit ich eine Auswahl habe. Die einzige Bitte an die Porträtierten ist, mit neutralem Blick in die Kamera zu schauen, alles andere würde zu viel vorgeben.

Was ist für dich das Besondere an deinen Bildern?
Ich strebe immer an, dass eine spezielle Atmosphäre rüberkommt, indem etwa der Blick so ist, dass das Bild, auch wenn man es länger anschaut, nicht langweilig wird. Außerdem sollen sie ein rundes Ganzes ergeben, unabhängig davon, ob das Umfeld und die Person zusammenspielen oder die Person für sich steht – beide Varianten haben ihren Reiz. [...]