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Die Olive im Cocktail

An einem Sonntag im vergangenen September brannte es im Rosental. Was da in Flammen aufging, war eine Hose. Um das kleine Feuer herum ein Menschenkreis in feierlicher und ausgelassener Stimmung. Für eine unter den Leuten war es ein symbolischer Abschied. Und Neubeginn zugleich. Caroline war von nun an endgültig auf dem Weg zur Frau, und das Versteckspiel hatte ein Ende. Doch dieser Weg ist noch lange nicht zu Ende …

Text: Björn Wilda & Foto: Björn Wilda


Das erste Treffen mit Caroline findet im Barfußgässchen beim Spizz statt. Nur wenige Schritte von ihrem ehemaligen Arbeitsplatz entfernt. Vor sich ein alkoholfreier Cocktail, ein Glas Wasser. Hin und wieder greift sie zur Zigarette und beobachtet entspannt das Treiben auf dieser quirligen Meile. Vier Jahre lang war der Drallewatsch ihr Revier, nun hat sie in einem Restaurant im Musikviertel eine neue Stelle bekommen und muss sich dann nicht mehr als Mann zurückverkleiden. Trotzdem: „Ich werde die Zeit hier nie vergessen, sie war hektisch, sie war schön und ich habe auch sehr viel dazugelernt und wirklich echte tolle Freunde gefunden.“ Während wir weiter miteinander reden, wird sie von Kollegen der anderen Bars, Cafés und Restaurants freundlich gegrüßt. Ansonsten erntet sie hin und wieder von vorbeiziehenden Leuten manch verstohlenen Blick, andere schauen irritiert. Sie kennt solche Momente zur Genüge und es macht ihr nichts aus. Sie streicht sich mit ihren schmalen Händen das blonde Haar zur Seite, lächelt und meint: „Ich verstecke mich nicht mehr und zeige mich wie ich wirklich bin.“ Ihre Stimme klingt sanft, mit rauem Unterton. Der Mund mit rotem Lippenstift, die Augen mit Kajalstift betont. Rock und Shirt mit Blumenmotiven.

Caroline ist auf dem Weg eine Frau zu werden. Derzeit unterzieht sie sich einer anstrengenden Hormonbehandlung. Eine Brustbildung ist schon zu erkennen. Sie selbst sagt dazu nicht ohne Selbstironie, dass sie sich wie in einer zweiten Pubertät fühle. Und: „Seit vielen Jahren wusste ich schon, wer ich wirklich bin und habe mir nie die Frage gestellt, ob ich eine Frau, ein Mann, hetero, schwul, lesbisch oder trans bin, sondern ich war etwas, was ich selbst gefühlt habe, andere haben mich immer in eine Kategorie geschoben. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, was ich bin, sondern wer ich bin.“ Alles in ihrem schmalen Körper spiele derzeit verrückt. Erst in einem Jahr kann dann die geschlechtsangleichende OP, wie es korrekt heißt, erfolgen. Weitaus komplizierter scheinen die bürokratischen Hürden zu sein: Psychologische Gutachten (das erste hatte sie gerade hinter sich und sie fühlte sich wie bloßgestellt), Atteste, Anhörungen, Ummelden beim Jobcenter usw. Der „Ergänzungsausweis“ ist die vorläufige amtliche Legitimation. Was offiziell bleibt, ist ihr Nachnahme, den sie schon seit der Geburt trägt. Alles in allem kommt eine hohe vierstellige Summe an Kosten zusammen. Prozesskostenhilfe ist beantragt. Ein Zurück gibt es nach der finalen OP nicht mehr. Dort, wo Caroline eigentlich herkommt, aus dem beschaulichen Bacharach, dort wo alles in geregelten Bahnen zu laufen scheint wie die vorbeiziehenden Züge im engen Rheintal, wäre ihr öffentlicher Wandel undenkbar. Wenn sie hin und wieder ihre alte Heimat aufsuchte, dann als Mann. Als solcher ist sie in der rheinischen Provinz bekannt wie ein bunter Hund, hat auch dort gekellnert und sogar für einige Zeit ein Restaurant mit vielen Angestellten geführt. Da hieß sie noch Rainer. „Letztendlich warf es für mich immer wieder die Frage auf, was Trans eigentlich ist. Für mich fühlte es sich immer an, als wäre man die Olive im Cosmopolitan-Cocktail. Das Getränk im Ganzen ist ein Wahrzeichen für Eleganz und Stil. Ein kleiner Teil als Beigeschmack von etwas großem. Rein vom Inhalt betrachtet war ich aber leider die ertrinkende Olive im Alkohol, was keiner von außen sah. Schwierig zu verstehen, gebe ich zu.“ [...]