logo2016

Leisetreten ist nicht

Auch Leipzig hatte seine Originale. Da waren z.B. der fliegende Händler Seiferts Oscar („Gindersch, gooft Gämme, ’s gomm laus‘sche Zeiden!“) oder die Mundartdichterin Lene Voigt mit ihren unvergleichlichen „Säk’schen Balladen“. Hatte? Leipziger Originale gibt es auch heute noch. In unserer kleinen Serie wollen wir einige von ihnen vorstellen. In dieser Ausgabe: der Kabarettist, Sänger und Schreiber Meigl Hoffmann.

Text: Björn Wilda & Foto: Leipziger Central Kabarett


In der Lortzingstraße gibt es das Haus „Blaue Mütze“ mit entsprechendem Hauszeichen über dem Portal. Ein Haus mit vielen Geschichten. Zum Beispiel diese: 1990 präsentierte sich von einem auf den anderen Tag das Hauszeichen mit einer wirklich blau angemalten Mütze. Der da Hand angelegt hatte an dem Relief, war Meigl Hofmann, der in der Jacobstraße das Licht der Welt erblickte und in jenem alten Haus aufwuchs. „Auf einem Tisch stehend balancierte ich vor dem Portal, streckte mich und hab die Mütze mit Trabi-Lackfarbe bepinselt, die Farbe wurde  aufgesogen wie von einem Schwamm und ergab eine denkmalverdächtige Kolorierung. Als das Haus saniert werden sollte, haben die vom Denkmalschutz doch tatsächlich geglaubt, dass die Bemalung historischen Ursprungs sei, da haben sie sie wieder aufgewertet und auch die Wandbemalung im Treppenhaus danach ausgerichtet. Hahaha!“ Eigentlich wollte Meigl die Mütze rot anmalen „wie bei den revolutionären Jakobinern“, aber rot war gerade nicht. Sein einstiges Wohnhaus, wo auch schon sein Vater aufgewachsen war, steht unweit des Rosentals, das vom Jakobsweg berührt wird. Hier ist Meigl viele Jahre gejoggt, „da bin ich also schon so lange auf dem Pilgerweg unterwegs gewesen, ohne einmal ans Ziel zu kommen, ha!“ Er ist ein Unruhegeist.

Meigl Hoffmann, Kabarettist, Sänger, Entertainer, Stückeschreiber, ist mit seinen fast 50 Jahren ein wandelndes Geschichtenbuch und wirkt immer noch wie ein großer Junge mit verschmitzt blickenden Augen und frechem Grinsen. Leisetreterei ist sein Ding nicht. Jedoch: Streiche machen, aber ohne Flausen im Kopf, aufsässig sein, aber ohne blinde Wut, laut sein, aber ohne fehlende Zwischentöne. Seine Erkenntnisse und seine Pointen, egal ob auf oder außerhalb der Bühne, sind mitunter verblüffend und fern jeder bloßen Albernheit. Denn Meigl ist zugleich ein zutiefst nachdenklicher Geist.

Stichwort Capa-Haus. Jahrelang setzte sich Meigl zusammen mit anderen Engagierten für die Rettung des im Verfall begriffenen, jetzt so genannten Capa-Hauses an der Jahnallee ein. Dort hatte an einem der letzten Kriegstage der Fotograf Robert Capa bei der Befreiung Leipzigs durch die Amerikaner u. a. die berühmte Aufnahme vom „Letzten Toten des Zweiten Weltkriegs“ gemacht, dem dort gefallenen US-Soldaten Raymond J. Bowman. Das Haus ist inzwischen renoviert, es beherbergt neben Wohnungen auch ein Café, einen Ausstellungsraum, und eine Gedenktafel erinnert an die historische Begebenheit. Meigl gibt Führungen für Interessierte und hat nun anknüpfend an die erste Aufarbeitung eine weitere ins Auge gefasst: „Mit Schaubühnen-Chef René Reinhardt will ich jenen Hitlerjungen einen Namen geben, die damals am Felsenkeller in ihrer Verblendung versuchten, die vorrückenden Amerikaner aufzuhalten. Dafür suchen wir unbedingt noch Zeitzeugen. Es geht um Schuld und Sühne und Vergebung. Indem wir die damals auf beiden Seiten Beteiligten wieder ans Licht holen, wollen wir eine Brücke der Versöhnung vom Gestern zum Heute schlagen.“ [...]