logo2016

Luther in Leipzig (Teil 1)

Naturgewalten können einem ganz schön in die Glieder fahren. Bei manchen lösen sie sogar einen Glaubenswandel aus. So war’s bei Martin Luther, will man der Überlieferung glauben. An einem Julitag anno 1505 ist der bis dahin frohgemute Student auf Schusters Rappen unterwegs. Er hatte seine Eltern in Mansfeld besucht und kehrt nun zurück nach Erfurt, wo er Jura studiert. Da bricht ein schweres Gewitter herein, in Luthers Nähe schlägt ein Blitz ein, der den Studiosus zu Boden schleudert. Dies sieht der knapp 22-Jährige als göttliches Zeichen, er fleht die Heilige Anna an und gelobt in Todesangst: „Ich will Mönch werden.“ So wechselt er von der Uni ins Kloster. Es ist der Anfang von Luthers ungewöhnlicher Laufbahn, die ihn mehrmals auch nach Leipzig bringen wird. Hier logiert, disputiert und predigt er.

Text: Björn Wilda


Als Martin Luther in Wittenberg wirkt und lebt, führt ihn fast jede Reise Richtung Süden über Leipzig, wo er Station macht. Erstmals kommt er jedoch schon am 9. Dezember 1512 in die Stadt, um 50 Gulden abzuholen, die Kurfürst Friedrich der Weise für seine Promotion springen ließ. Dafür nahm der Doktorand rund 100 km Fußweg in Kauf.
Beim nächsten und wohl bedeutendsten Aufenthalt sieht man Luther dann in großem Tross mit Ross und Wagen zusammen mit anderen Gästen in die Stadt einziehen.
Die Vorgeschichte dazu: Für den Neubau der Peterskirche in Rom brauchte Papst Leo X. Geld, viel Geld. Also verkündete er 1515 einen neuen, einen sogenannten Jubelablass (da wirkte Luther an der Wittenberger Universität schon als Doktor der Theologie und hatte den Lehrstuhl für Bibelauslegung inne). Gegen die Zahlung einer bestimmten Gebühr erhielt der Käufer die Absolution eines den Ablassprediger begleitenden Beichtvaters und bekam den Beichtbrief (Ablassbrief) ausgehändigt. Ablasshandel hatte es schon früher gegeben. Doch jetzt wurde daraus ein marktschreierisch, geradezu aggressiv betriebenes Geldgeschäft, die „beste Vollkaskoversicherung für das Jenseits“ (Christiane Neuhausen, Die Welt, 8. Juni 2015). Der Papst hatte die Kampagne in die Hände der Dominikaner gelegt. Von ihrem Leipziger Kloster aus wirkten sie im mitteldeutschen Raum. Besonders fanatisch trieb es Pater Johann Tetzel, der 1482/83 in Leipzig studiert hatte. Er und andere Ablassprediger sammelten das eingenommene Geld in einer Kiste. Angeblich soll auf Tetzels Kiste gestanden haben: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt.“ Gegen die Zahlung von Geld kaufte man sich so, nach Meinung der Sünder, vom Fegefeuer frei, in dem man sonst nach dem Tod schmoren müsse. Einige solcher Tetzelkästen sind bis heute erhalten geblieben, so z. B. in Jüterbog.
Bei der leichtgläubigen und verängstigten Bevölkerung fällt der Ablasshandel auf fruchtbaren Boden. Übrigens geht nicht alles Geld nach Rom, teilweise füllt es u. a. auch die Kassen des Magdeburgischen Landesherrn, Erzbischof Albrecht von Brandenburg, der bei den Fuggern schwer in der Kreide steht.
Von Wittenberg aus ist es nicht weit ins Bistum Magdeburg. So kommt es, dass auch viele Wittenberger in die Nachbarstädte ziehen, um Ablassbriefe zu kaufen. Als Martin Luther davon Wind bekommt, zeigt er sich entsetzt. Wortgewaltig zieht er gegen Tetzel und dessen Praxis zu Felde und macht ihn zum Sinnbild des Bösen: Ablassprediger würden den Anschein erwecken, als wäre für einen Ablassbrief keine Reue nötig. Die Bußgesinnung werde verkehrt. Vereinfacht formuliert heißt es bei Luther: Die göttliche Genugtuung ist nur auf gute Werke statt auf käuflichen Ablass zurückzuführen. [...]