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Luther und kein Ende

„Wir können gut mitfeiern“

500 Jahre Reformation in Deutschland ist zunächst ein großes Ereignis für die evangelische Kirche. Also hätten wir uns auch mit Vertretern jener Kirche treffen und sprechen können. Sicher, aber wir dachten uns, anlässlich des Jubiläums die „Gegenseite“ zu Wort kommen zu lassen. Denn ohne die Auseinandersetzung mit der bis dahin herrschenden katholischen Kirche hätte es die Reformation wohl nicht gegeben. Deshalb sprachen wir mit Gregor Giele von der Propsteigemeinde St. Trinitatis Leipzig.

Interview & Foto: Björn Wilda


KiPPE: Wie wichtig ist Ihnen als Vertreter der katholischen Kirche das Reformationsjahr?
G. G.: Der Geist dieses Jubiläums ist ein ganz besonderer. Es ist wohl das erste Reformationsjubiläum, das auch den ökumenischen Geist lebt. Bisher waren solche Anlässe stets mit konfessioneller Selbstvergewisserung und Positionierung verbunden. Ich finde, wir Katholiken können das Jubiläum gut mitfeiern. Denn die Reformation hat auch unserer Kirche enorme Impulse verliehen und Erneuerungen ausgelöst. Sinnbild dafür ist das berühmte Trienter Konzil, das Mitte des 16. Jahrhunderts stattgefunden hat. Auf ihm wurde beispielsweise beschlossen, die Missbräuche im Ablasswesen abzuschaffen, die Ämterhäufung im Bischofsamt zu verbieten oder mittels Priesterseminare die Seelsorger besser auszubilden.

Trotzdem bleibt auch Wehmut…
Natürlich sind wir nach wie vor traurig, dass es zur Kirchenspaltung gekommen ist – was Luther übrigens nie gewollt hatte. Das wäre schön, wenn es uns ersparte geblieben wäre. Aber es hat nicht nur im theologischen, sondern auch im geistlichen Sinne den Aufschwung sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirche gegeben. Also nochmal gesagt, wir können gut mitfeiern.

Wo stimmen Sie mit Luther nicht überein?
Was auch die evangelische Kirche sehr kritisch sieht, ist sein Verhältnis zu den Juden. Gerade gegen Ende seines Lebens schien Luther manches zu entgleiten und wurden einige seiner Formulierungen doch sehr einseitig. Jedoch hat das eher mit seiner Persönlichkeit als mit Theologie zu tun. Aber von den kerntheologischen Ansätzen her wüsste ich nicht, was ich ablehnen sollte. Ohnehin gibt es unter allen christlichen Konfessionen ein sowohl als auch, es gibt kein entweder oder. Das ist ja das Faszinierende daran: Alle haben Recht! So muss man die Unterschiede heute eher sehen. Keiner hat die alleinige Wahrheit. Das wiederum ist das Verbindende. [...]