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Was Leipzig heute ausmacht

Aus allen Richtungen

Wenn es eine Stadt gibt mit sehr vielen Gesichtern und die ebenso viele Beinamen trägt, dann gilt das für Leipzig. Die Stadt steht für etliches, weil sie im Laufe ihrer Entwicklung so vieles aufgesogen hat wie ein Schwamm. Das liegt beileibe nicht an ihrem sumpfigen Untergrund, aus dem sie aber entsprang. Hier kreuzten sich Flussläufe und Bäche aus allen Richtungen. Und weil Wasser zum Ansiedeln so wichtig ist, ging es Schritt für Schritt weiter, angefangen von slawischen Siedlern („Lipsk“, sorb. für „Linde“). In Folge kreuzten sich hier zwei bedeutende europäische Handelsstraßen, aus denen dann eine Stadt erwuchs. Die Lage macht‘s eben… Etwas abseits oft zitierter Themen wie Messe, Buch- und Musikstadt oder Friedliche Revolution wollen wir anhand einiger anderer Beispiele der Frage nachgehen, wie Leipzig zu dem geworden ist, wie es sich heute darstellt.

Text & Foto: Björn Wilda


Fangen wir mal mit der Universität Leipzig an. Nach Heidelberg ist sie die zweitälteste Universität Deutschlands, an der durchgängig gelehrt wird. Ihre heutige Rektorin ist Eva Inés Obergfell. Ihre direkte Vorgängerin für elf Jahre war Beate Schücking. Völlig normal für Leipzig. Zwei Frauen hintereinander, die der Alma mater Lipsiensis vorstanden bzw. vorstehen. Auch die Hochschule für Grafik und Buchkunst wird seit März von einer Frau geleitet, und bis zur Auflösung der Hochschule für Telekommunikation im Dezember 2022 stand ihr ebenfalls eine Rektorin vor.
Dass solche Karrieren heutzutage möglich und keine Eintagsfliegen sind, hat eine lange Vorgeschichte. Leipzig gilt als Wiege der Frauenbewegung in Deutschland. Diese Bewegung kam auf im Zuge der Revolution von 1848/49 und des Beginns der Industriellen Revolution. Ihre bekanntesten Vertreterinnen: Louise Otto-Peters (Autorin und Journalistin, gab in Leipzig eine eigene Frauenzeitung heraus), Auguste Schmidt (Lehrerin für Geschichte und Literatur, trat vehement für die Zulassung von Mädchen zum Universitätsstudium ein) sowie Henriette Goldschmidt (Pädagogin, u. a. Gründerin der „Hochschule für Frauen in Leipzig“). Von diesen drei Persönlichkeiten ging die Initiative zur Einberufung der ersten gesamtdeutschen Frauenversammlung aus, die im Oktober 1865 im „Schützenhaus“ in der Leipziger Ostvorstadt mit über 300 Teilnehmerinnen stattfand. Auf dieser Versammlung wurde der Allgemeine Deutsche Frauenverein gegründet. Vor einigen Jahren hat man erfreulicherweise das Henriette-Goldschmidt-Haus in der Friedrich-Ebert-Straße wieder aufgebaut, nachdem es im März 2000 unter großen Protesten platt gemacht wurde, um die Straße zu verbreitern. [...]