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„Wenn mir die Worte fehlen, schreibe ich ein Lied“

Die Leipziger Musikerin Nadine Maria Schmidt ist seit 2015 mit der KiPPE verbunden. Damals stellten sie mit ihrer Band „Frühmorgens am Meer“ wie auch andere Leipziger Musiker/innen einen Song für die Jubiläums-CD des Leipziger Straßenmagazins zur Verfügung. „Die Kinder an unseren Händen“ ist ihr neues Album, das eigentlich schon 2019 fertig war, doch dann kam die Pandemie. Nichtsdestotrotz berühren die Lieder auch 2023. Vor allem Nadine Maria Schmidts Stimme zieht einen mit ihren vielen Farben und Facetten in seinen Bann und die gut arrangierte instrumentale Musik trägt und akzentuiert den Gesang auf wunderbare Weise. Die KiPPE traf die Sängerin zum Interview am Telefon.

Interview: Sandy Feldbacher & Foto: Marcus Engler

KiPPE: Im Pressematerial zu deinem neuen Album wirst du zitiert mit: „Ja, ich weiß: Ein schweres Album. Aber irgendjemand muss auch diese Lieder schreiben. Ich kann nicht anders. Ich muss einfach.“ Was macht dein Album zu einem schweren Album und warum musst du es machen?
Nadine Maria Schmidt: Dass meine Musik schwer wirkt, ist eine Rückmeldung, die ich schon immer bekomme. Ich selbst empfinde sie gar nicht nur als schwer, sondern sehe auch ganz viel Licht darin, so auch in diesem Album. Aber natürlich behandele ich sehr schwere Themen. „Aleyna“ handelt von den Zuständen im Flüchtlingslager in Idomeni. In „Eispferde vom Ladogasee“ behandele ich die Leningrader Blockade 1941, die als schlimmstes Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht gilt. Und in „Buschwindröschen“ geht es um den Massensuizid am Ende des Zweiten Weltkriegs in Demmin, einer kleinen mecklenburgischen Stadt. Das sind Themen, mit denen man sich konfrontieren kann, aber nicht muss und die unterschiedlich ankommen.
Und ich muss diese Lieder schreiben, weil sie immer zu mir kommen. Ich suche mir das nicht gezielt aus, sondern finde zufällig ein Bild im Internet oder höre wie bei „Eispferde vom Ladogasee“ einen Podcast über einen Künstler, der in einer Ausstellung die Eispferde plastisch dargestellt hat. Und das berührt mich dann so, dass ich anfange, ein Lied zu schreiben. Das ist meine Art der Verarbeitung und des Umgangs damit. Ich sage immer, wenn mir die Worte fehlen, dann schreibe ich ein Lied.

In welcher Rolle siehst du dich dabei? Als Erzählerin oder schlüpfst du in die jeweiligen Rollen?
Ich habe tatsächlich oft die Ich-Perspektive und bin viel in den Geschichten und auch den Rollen der anderen. Zum Beispiel bei „Aleyna“ oder „Buschwindröschen“ erzählt ein Kind aus der Ich-Perspektive. Ich versetze mich hinein, auch wenn das natürlich nur in einem gewissen Rahmen möglich ist. Das ist schon immer so. Ich komme schlecht damit zurecht, wenn jemand den Zeigefinger erhebt, weil ich das Gefühl habe, dass man damit nicht diejenigen erreicht, die es erreichen sollte. Ich bilde gern Perspektiven ab, Geschichten von anderen, um ein Stück mehr Empathie in die Welt zu bringen. Ich hatte auf meinem letzten Album zum Beispiel das Lied „Aluna“, auch eine Flüchtlingsgeschichte, und da hat sich nach einem Konzert jemand per E-Mail bei mir gemeldet, der eine andere Meinung zu dem Thema hatte, aber dann zu mir sagte, das Lied hätte ihn so berührt, dass er über seine Einstellung nachgedacht hat und das nun anders sieht. [...]