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Einfach sagenhaft…

Republik, die es nie gab - Die kurze Zeit als unbesetztes Gebiet Mai/Juni 1945

Seit 24. Juni 2010 steht auf der Wiese vor dem Schwarzenberger Rathaus ein ungewöhnliches Denkmal. Es zeigt zwei aufgestellte Stahlplatten in Form eines geöffneten Buches. Auf der die linke Seite sind die Silhouette Stefan Heyms (nachempfunden einer Fotografie von 1989) und seine Signatur zu sehen, auf der rechten Seite ist ein Zitat aus dem Roman „Schwarzenberg“ zu lesen, „…Freiheit war ein Wagnis, das größte vorstellbare…“.

Spuren in der Stadt
Heym (1913 – 2001), während des Krieges im Dienste der US-Army, hatte mit seinem 1984 in der Bundesrepublik erschienenen Roman die Ereignisse in den sechs Wochen nach Kriegsende aufgegriffen, in denen die Region im Mai und Juni 1945 von Alliierten unbesetzt blieb.

Auch andernorts finden sich in der Stadt Hinweise auf jene Denkwürdigkeit sowie auf Heyms literarische Umdeutung in „Republik Schwarzenberg“ (am Ende mehr dazu). Denn der Autor verband die Historie in künstlerischer Freiheit mit einer, mit SEINER Vision von einer Gesellschaft, in der alle Macht vom Volke ausgeht. Die von Heym erdachte Republik hat es in Schwarzenberg also nie gegeben. Trotzdem wird darüber bis heute gestritten. Auch so kann eine Stadt im Gespräch bleiben.

Gründe bis heute ungeklärt
Strittig sind allerdings ebenso die Gründe, warum weder Amerikaner noch die Russen den Landkreis Schwarzenberg und Teile des Landkreises Stollberg nicht besetzt hatten. „Darüber gibt es verschiedene Versionen“, erklärte uns Oberbürgermeisterin Heidrun Hiemer. Eigentlich sollte das Gebiet gemäß alliierter Vereinbarungen von US-Einheiten eingenommen werden. Zwar wurden einige Vorausabteilungen in die Gegend geschickt, doch die Boys zogen unverrichteter Dinge wieder ab.

Version eins: Die Amerikaner sollten bis zum Fluss Mulde vorrücken. Doch sie haben die drei Mulden (Mulde, Freiberger Mulde, Zwickauer Mulde) miteinander verwechselt.
Version zwei: Austausch des Urangebietes im Erzgebirge um Johanngeorgenstadt und Schleema gegen Teile von Berlin.
Version drei: Schaffung eines unbesetzten Korridors, um restlichen deutschen Truppen einen Rückzug nach Böhmen zu bieten, damit sie dann in amerikanische statt sowjetische Kriegsgefangenschaft kämen.
Version vier: Die Alliierten haben den Landkreis schlicht nicht mehr „auf dem Schirm“ gehabt.

Wie auch immer, jedenfalls blieb seit dem 8. Mai 1945 ein Gebiet von 2 000 Quadratkilometern mit 21 Städten und Dörfern, in denen insgesamt rund 500 000 Menschen lebten (hinzu kamen noch Flüchtlinge, ehemalige Häftlinge und Zwangsarbeiter), seinem Schicksal überlassen. Marodierende Soldaten, Hunger sowie der Verfall staatlicher und kommunaler Strukturen ver schär f ten die Lage und zwangen zu raschem Handeln. Als sich auch nach dem 11. Mai nichts rührte, bildetenmehrere beherzte Bürger in der Amtshauptmannschaft Schwarzenberg einen antifaschistischen Aktionsausschuss („Wir müssen etwas tun!“). Ihm gehörten Sozialdemokraten, Kommunisten und Parteilose an. Provisorischer Bürgermeister wurde Willy Irmisch. [...]