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Erfinderisches Leipzig

Heisenberg und der GAU? - Erster Störfall der Kernkraft ereignete sich in Leipzig

Es brodelt, zischt und dampft. Der mächtige kugelförmige Reaktor im Labor von Werner Heisenberg und Robert Döpel in der Linnéstraße 5 heizt sich bedrohlich auf. Als der Helfer Werner Paschen den Deckel abzieht, schießen Stichflammen empor. Feuersäulen entstehen, Funken sprühen durch den gesamten Raum. Uranstaub wirbelt an die Decke, diese fängt Feuer. Nun sind Heisenberg und Döpel gezwungen, die Feuerwehr zu rufen. Diese rückt an, ohne wirklich zu wissen, was sie erwartet. Das Feuer im Labor bekommt man schnell in den Griff, aber die Kugel spuckt immer noch Feuer und lässt sich nur mit Schaumteppichen, die regelmäßig erneuert werden müssen, beruhigen. Heisenberg und Döpel haben an diesem 23. Juni 1942 die erste Erfahrung mit der immensen Vernichtungskraft des Urans gemacht.

Siegeszug der Quantenmechanik
Werner Heisenberg, Nobelpreisträger, mathematisches und physikalisches Genie, brillantester Atomphysiker seiner Zeit, wird am 5. Dezember 1901 in Würzburg geboren. Er stammt aus einer angesehenen Akademikerfamilie – sein Vater ist Professor für Griechisch und seine Mutter Tochter des Rektors des Maximilian-Gymnasiums in München. Auf eben dieses Gymnasium geht der junge Werner und schließt das Abitur mit Auszeichnung ab. 1920 bekommt er an der Universität München den theoretischen Physiker Arnold Sommerfeld als Professor und findet unter ihm bereits nach wenigen Monaten Lösungen für die Quantentheorie. Sommerfeld sieht in ihm ein physikalisch-mathematisches Genie. Einige Zeit später entdeckt Heisenberg die Unbestimmtheitsrelation (die Aussage der Quantenphysik, dass zwei komplementäre Eigenschaften eines Teilchens nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar sind). Hochschulen in ganz Europa wollen nun, dass er für sie arbeitet. Bereits im Frühjahr 1926 hatte die Leipziger Universität angefragt, doch Heisenberg zieht es nach Kopenhagen, der damaligen Physiker-Hochburg. 1927 kommt er aber schließlich doch nach Leipzig. Hier helfen ihm hochbegabte Studenten bei der Theorie „Die Quantenmechanik der Festkörper.“ Der begabte Physiker tauscht sich viel mit dem Ausland aus, und nach einer Weltreise ist sein Ansehen und die der Quantenmechanik groß wie nie. 1932 bekommt Heisenberg den Nobelpreis für Physik, vor allem für seine „Aufstellung der Quantenmechanik und ihrer Anwendung.“

Himmler um Schutz gebeten
Ab 1933 werden jüdische Gelehrte von den Nazis vertrieben. Das trifft die Universitäten in ganz Deutschland schwer. Heisenberg aber setzt sich mutig und ohne zu Zögern für die Unterbringung seiner entlassenen Kollegen im Ausland ein. 1935 protestiert er sofort gegen die Entlassung weiterer vier Kollegen, doch er erreicht dabei lediglich, dass er nun von den Propagandisten der „arischen“ Physik angegriffen wird und die Nachfolge seines Lehrers Arnold Sommerfeld verliert.
Am Anfang des Jahres 1937 lernt er seine spätere Frau Elisabeth kennen, drei Monate später heiraten sie in Berlin und ziehen nach Leipzig-Stötteritz.
Heisenberg will nun unbedingt in München arbeiten, aber der Reichsdozentführer Stark lehnt das unter allen Umständen ab. Anschließend wird Heisenberg in der Zeitschrift der SS als „weißer Jude“ und „Ossietzky der Physik“ bezeichnet. Heisenbergs Mutter wendet sich daraufhin an die ihr persönlich bekannte Mutter Heinrich Himmlers (Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei). Die Mutter rät Heisenberg, dass er einen Brief direkt an Himmler senden solle. In diesem Brief bittet Heisenberg um Schutz gegen Angriffe wie in der Zeitschrift der SS. Himmler antwortet aber erst ein Jahr später. Er schreibt, dass er ihn vor weiteren Angriffen schützen werde, fordert aber eine klare Trennung der Physik von seiner politischen Haltung. [...]