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Besser geht immer!

Interview mit Sonja Brogiato vom Flüchtlingsrat Leipzig e.V.

Der Dezember ist einer der stressigsten Monate für den Flüchtlingsrat. Kurz vor Weihnachten erfolgen stets noch die letzten Zuteilungen von Flüchtlingen aus Chemnitz. Entsprechend hektisch geht es in den Räumlichkeiten des Flüchtlingsrates Leipzig zu. Inmitten des Trubels sprach die KiPPE mit Sprecherin Sonja Brogiato über Leipzigs Anstrengungen, der derzeit wachsenden Zahl an Flüchtlingen gerecht zu werden, sowie über Ursachen und Möglichkeiten der Bekämpfung von Ressentiments gegenüber Flüchtlingen.

2014 kamen etwa doppelt so viele Flüchtlinge nach Leipzig wie im Vorjahr. Wie gestaltet sich vor diesem Hintergrund die Situation für diese Menschen hier?
Zunächst einmal ist die Unterbringung und Versorgung von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Aufgabe der Kommune, der sie zugeteilt werden. Wenn Flüchtlinge in Deutschland ankommen, werden sie von den Behörden registriert und nach dem Königsteiner Schlüssel auf die einzelnen Länder verteilt. Diesem zugrundegelegt sind die Einwohnerzahl eines Bundeslands und das Steueraufkommen, um Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Von allen Asylbewerbern pro Jahr in Deutschland kommen 5,2 % nach Sachsen. Die Länder wiederum verteilen im Rahmen ihrer Länderhoheit nach Schlüssel auf die einzelnen Kommunen. Leipzig hat etwa 12 % der Sachsen zugewiesenen aufzunehmen. Und die Unterbringung und Versorgung dieser Menschen ist für jede Kommune eine Pflichtaufgabe nach Weisung, also nicht verhandelbar.

Alle diese Leute stehen praktisch in der Warteschleife, haben einen Asylantrag gestellt oder werden das in nächster Zeit tun. Sie haben das Recht auf die Prüfung ihres Antrags. In dieser Zeit sind sie eben unterzubringen. Wie genau die Unterbringung und Versorgung in den einzelnen Städten aussieht, ist dem jeweiligen sozialpolitischen Ansatz geschuldet. Wie viel Geld gibt man aus kommunalen Mitteln zusätzlich zu dem, was das Land zur Versorgung des Einzelnen hier leisten muss. Das Land gibt grundsätzlich die Unterbringungsform vor, für Sachsen heißt das – Gemeinschaftsunterkünfte.
Seit Mitte 2012 hat Leipzig allerdings ein neues, dezentrales Unterbringungskonzept, das sich natürlich im Rechtsrahmen des Landes bewegt. Die Flüchtlinge müssen zwar aus faktischen Gründen zuerst in Gemeinschaftunterkünfte. Jedoch ist die Kernaussage des Leipziger Unterbringungskonzepts sehr weitsichtig und vorbildlich für die ganze Bundesrepublik: So schnell es geht in eigenen Wohnraum. Dazu muss man die Menschen befähigen. In jeder Einrichtung gibt es Sozialarbeiter, Sprach-, und Kulturmittler. Es gibt Deutschkurse – eine kommunale Eigenleistung.

Das klingt ja sehr gut.
Das ist es auch. Es sieht allerdings sehr viel düsterer aus, wenn man jenseits der Leipziger Stadtgrenzen schaut. Sachsen hat da ganz unterschiedliche Ansätze, wie auch das ganze Bundesgebiet. Es ist letztendlich Zufall, wo ein Mensch landet und da ist Leipzig im Rahmen der Möglichkeiten relativ gut unterwegs. Natürlich gibt es die sehr große Unterkunft in der Torgauer Straße noch. Das erklärte Ziel war ja, dieses mangelhafte Objekt endlich zu schließen. Nun soll sie auch noch erweitert werden. Aber unter dem Druck der gestiegenen Zuweisungszahlen, sagen wir, es ist besser ein Dach über dem Kopf zu haben als ein Zelt oder eine Containerlösung auf der grünen Wiese. Das gemauerte Gebäude hat den Vorzug. [...]