logo2016

Jüdische Spuren, jüdisches Leben

„Gemeinde ist Teil der Stadt“ - Rabbiner Zsolt Balla sieht sich angekommen in Leipzig

Gerade noch herrschte Trubel in der Synagoge. Nicht wegen eines Gottesdienstes: Eine Schulklasse hatte die Räumlichkeiten in der Keilstraße erobert. Nun laufen die Kinder aus der Lessingschule aufgeregt durch die Stuhlreihen, bestaunen fremdsprachige Aufschriften und drängeln sich vor einem Wandschlitz, in dem Münzen hineingeworfen werden können. Es geht nicht gerade leise zu im Saal, doch der Rabbiner lächelt nachsichtig und unterhält sich derweil noch mit den beiden Lehrerinnen, ehe die Gäste das Gotteshaus wieder verlassen.

Für Zsolt Balla gehören solche Momente zum Alltag in seinem Amt.

„Viele Schulen in Leipzig fragen im Rahmen des Ethik- oder Religionsunterrichts nach, ob sie der jüdischen Gemeinde und der Synagoge einen Besuch abstatten können. Solche Kontakte pflegen wir schon seit langem, gefördert und unterstützt wird sie durch die Ephraim Carlebach Stiftung. Ich fühle mich nicht nur für meine Gemeinde verantwortlich, sondern für die Stadt insgesamt.“

Leipzig hat den Rabbiner nicht mehr losgelassen. Der gebürtige Ungar, der in Budapest noch seinen Master Wirtschaftsingenieurwesen gemacht hatte und dann in Berlin sein Rabbiner-Studium absolvierte, verdankte es seiner Frau, einer Leipzigerin, dass er von der Spree an die Pleiße wechselte. In Berlin hatten sie noch geheiratet, und als 2009 sein Studium abgeschlossen war, kam sofort der Wunsch auf, eine Gemeinde in Deutschland zu unterstützen.

„Zunächst bin ich ein Jahr lang gependelt, war lediglich alle zwei Wochen zum Schabbat in Leipzig. Doch dann kam für mich der Entschluss, ganz umzuziehen und mit meiner Frau hier zu leben. Ich denke, dass ich nicht auf üblichem Wege einen Job angenommen, sondern gewissermaßen in die Gemeinde eingeheiratet habe. Und seit September 2010 bin ich mit Frau und Töchterchen in Leipzig zu Hause.“

Die Stadt hat ihn von Anfang eingenommen und Zsolt Balla fühlt sich als Leipziger. Er kennt andere große Städte, weitaus größer, weitläufiger, als es Leipzig ist. Doch der 36-jährige Rabbiner nennt es Balance zwischen großstädtischem, internationalen Flair und überschaubare Nähe, die viele menschliche Kontakte zulasse.

„Die Stadt ist sehr schön, nicht nur wegen ihrer Architektur. Mich beeindrucken die kulturelle Vielfalt, die Musik, die Literatur. Für mich ist es ein echtes Privileg, hier zu leben und zu arbeiten.“ [...]