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Wie eine zweite Haut

Interview mit einem Tätowierer

Der älteste bekannte Tätowierte ist der Ötzi aus dem Eis, dessen Mumie 1991 in den Ötztaler Alpen gefunden wurde. Er ließ sich bereits vor 5000 Jahren „stechen“. Jede Ethnie auf der Welt fing irgendwann an zu tätowieren.
Das moderne Tattoo, wie wir es heute kennen, fand den Weg im 19. Jahrhundert aus der Südsee über die Seeleute nach Europa. Menschen, die es als erstes für sich entdeckt haben, waren neben Seeleuten auch Schausteller des Fahrenden Gewerbes, Rocker und Soldaten. Auch im Gefängnismilieu waren und sind Tätowierungen verbreitet, was dazu führte, dass sie zunächst nicht gesellschaftsfähig waren. Heute ist das ganz anders. Zwar kann es für Tätowierte immer noch schwierig sein, bestimmte Berufe auszuüben, auf der anderen Seite stehen Tattoos hierzulande derzeit hoch im Kurs und das quer durch die Gesellschaft. Die KiPPE ging diesem Trend nach und sprach mit dem Leipziger Tätowierer Johannes.

KiPPE: Wie bist du zum Tätowieren gekommen?
Johannes: Ich tätowiere seit insgesamt fünf Jahren. Dazu kam ich mehr oder weniger durch Zufall: Ich habe früher schon viel gemalt, vor allem Graffiti. Ein Freund hat mir vorgeschlagen, es mal mit dem Tätowieren zu probieren. Das hat super geklappt und dann bin ich diesen Weg weiter gegangen.

Wie hast du Tätowieren gelernt?
Das war “learning by doing“. Es gibt keine offizielle staatlich anerkannte Ausbildung. Wenn man Glück hat, kann man bei einem guten „Meister“ in die Lehre gehen. Der größte Teil ist aber autodidaktisch, weil man ein Gefühl dafür bekommen muss, was vorn an der Nadel passiert, das kann nur jeder selbst ausprobieren und erlernen. Hygienestandards, physische Grundvoraussetzungen usw. habe ich im Tattoo-Studio gelernt.

Wann bist du das erste Mal mit Tattoos in Berührung gekommen?
Das war noch zu DDR-Zeiten. Da sind mir Tattoos bei Bauarbeitern aufgefallen, die sie trugen, um – wie es damals üblich war – ihre Rebellion auszudrücken, das fand ich ganz spannend. Später als Jugendlicher haben meine Kumpels und ich in einem Skatepark mal einen Typen angesprochen, dessen ganzes Gesicht voller Spinnen-Tattoos war. Es stellte sich heraus, dass er erst seit einer Woche aus dem Gefängnis raus war. Wir waren schwer beeindruckt. Dann habe ich das einige Jahre aus dem Blick verloren, aber sobald ich 18 war, bin ich sofort ins Tattoo-Studio gerannt.

Was war dein erstes eigenes Tattoo?
Ein Comic-Held am Oberarm. Es sollte ein flammendes Gesicht sein, ist aber nicht so gut geworden. Ich wollte eigentlich etwas Cooles, das Endprodukt war dann eher gruselig anzusehen. Ich habe es später nochmal übertätowieren lassen.

Also eine klassische Jugendsünde?
Ja. Jeder zweite hat so etwas. Das zeigt, dass die meisten Menschen selbst mit 18 noch zu jung sind für Tätowierungen. Die Entscheidung für Motive fürs Leben sollte nicht übers Knie gebrochen werden, egal ob es sich um ein Gänseblümchen oder einen Totenkopf handelt. Die Persönlichkeit entwickelt sich noch über Jahre hinweg, ebenso wie Ansichten und Einstellungen zu sich selbst und den Dingen, die man nach außen tragen will. [...]