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Es geschah am helllichten Tag

Ein beinahe spektakulärer Kunstdiebstahl in Leipzig

Sie haben den Friedhof gestohlen! Den „Friedhof im Schnee“, na, du weißt schon, das berühmte Gemälde von Caspar David Friedrich! Ja, ehrlich, es ist gestohlen worden und durch etwas Geklebtes, Gebasteltes – eine Fälschung eben – ersetzt worden. – Erzähl keinen Blödsinn, das gibt’s doch gar nicht … Kunstraub, bei uns, in der DDR?

Es ist eine dieser Geschichten, von denen man meint, sie kommen nur im Film vor. Ein wahrer Fall aus dem Osten, aus Leipzig. Kunstdiebstahl in der DDR hat es sehr wohl gegeben, im Großen wie im Kleinen. Nur wurde über solche Fälle in den Medien nicht berichtet. Deshalb war es die große Ausnahme, als das DDR-Fernsehen am 8. Februar 1988 über einen spektakulären Kunstraub im Museum der Bildenden Künste in Leipzig berichtete.
„Friedhof im Schnee“ von Caspar David Friedrich zählt zu den schönsten der 28 in der DDR ausgestellten Gemälden des Meisters der romantischen Malerei. Das Museum hatte zu jener Zeit sein Interimsquartier im Gebäude des ehemaligen Reichsgerichts, das als Dimitroff-Museum vor allem an den Reichstagsbrandprozess erinnerte. Es waren aber auch andere Institutionen in diesem riesigen Gebäude untergebracht, so dass der Bilderklau schnell zum Stadtgespräch wurde.

Mehr als ein Jahr später, am 5. Juli 1989, erfuhren die Leser der Leipziger Volkszeitung unter der Rubrik „Aus dem Gerichtssaal“, was im Bildermuseum geschehen war: Zur Herbstmesse 1987 schaute sich ein Mann aus Jena in der bedeutenden Romantiker-Ausstellung im alten Reichsgericht um. „Friedhof im Schnee“, nicht nur eines der schönsten, sondern auch wertvollsten Gemälde, weckte sein Interesse, obendrein war es schön handlich und nicht einmal sonderlich gesichert. Der junge Elektromechaniker hatte einen Ausreiseantrag gestellt und glaubte, durch den Verkauf des Gemäldes das nötige Startkapital im Westen zu haben. Fortan plante er seinen Raub.
Der Meisterstreich geschah am helllichten Tag während der Öffnungszeiten. Einen geeigneten Helfershelfer fand der mehrfach Vorbestrafte in einem ehemaligen Knastbruder, der zu jener Zeit mal wieder in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Am 4. Februar 1988 gegen 11 Uhr parken Andreas K. mit seiner Freundin und Bernd-Detlef H., von Jena über Halle kommend, ihr Auto am alten Amtshof. Während die Männer zum Museum gehen, schlendert die junge Frau durch Leipzigs Innenstadt. Alles, inklusive Ablenkungsmanöver, ist genau besprochen. K. geht zum beschriebenen Gemälde, drückt es aus dem Rahmen und ersetzt es durch eine selbst gestaltete Collage aus Kunstdrucken. Das handliche Gemälde verschwindet in einer Art Einkaufsbeutel, den sich Andreas K. im Innenfutter seines Mantels hat einnähen lassen. Anschließend spazieren sie aus dem Museumstrakt, als sei nichts gewesen. Als das Personal den Diebstahl bemerkt, sind sie schon lange über die viel zitierten Berge. [...]