logo2016

Ein Sport mit Atmosphäre

Die Boulder-Begeisterung ist längst in Leipzig angekommen

„Es ist wie ein Teamsport, nur besser“, sagt Lucie Poissonnier und strahlt. „Ein Teamsport ohne Gegner vielleicht“, schiebt sie nach. „Oder besser: der Gegner ist man selbst“. Die Französin steht zwischen Matten und Wänden mit bunten Plastikgriffen im BLOC No Limit, einer Boulder-Halle im Osten Leipzigs. Der Staub von Magnesia kitzelt in der Nase, im Hintergrund läuft elektronische Musik, Kinder laufen kreuz und quer durch den Raum und über die dicken Matten, die auf dem Boden liegen. Es ist Boulder-Wettkampf, die Leipziger Station des Ostblock-Cups, bei dem Männer und Frauen in unterschiedlichen Städten im Osten Deutschlands antreten.

Auf den ersten Blick sieht man Lucie ihre Kraft nicht an, doch das täuscht. Sie ist eine zierliche Frau mit schmalem Gesicht. Die braunen Haare hat sie zusammengebunden. 23 Routen hat die 26-Jährige an diesem Tag versucht, 20 davon hat sie gemeistert. „Ich bin zufrieden mit meiner Leistung“, wird sie später sagen. Für Lucie ist Bouldern ein Hobby, sie macht es zum Spaß. Deshalb ist sie auch nicht in der „Power“-Kategorie angetreten, sondern in der etwas leichteren Variante, dem „Relaxed“-Modus. In dieser Kategorie gibt es kein Finale, Lucie wird an diesem Abend nur noch entspannt zuschauen.
Beim Bouldern kommt es neben Kraft auch auf Beweglichkeit und Geschicklichkeit an. Die Sportler versuchen, einer Route aus Klettergriffen zu folgen, die in eine Wand geschraubt sind. Dabei werden sie nicht, wie beim Klettern, von einem Seil gesichert, bewegen sich aber immer auf Absprunghöhe. Sobald der letzte Griff sicher gehalten wird, gilt die Route als geschafft. Die Routen sind unterschiedlich schwierig. Je nach Halle wird der Schwierigkeitsgrad durch die Farben oder Zahlen der Boulder (Anm. d. Verf.: So nennt man die Plastikgriffe, die in speziell dafür konzipierte Wände geschraubt werden) gekennzeichnet. Lucie klettert einen mittleren Schwierigkeitsgrad. „Die Technik lernt man durch Schmerzen“, sagt Lucie und lacht. Bevor sie mit dem Bouldern angefangen hat, ist sie einige Jahre geklettert. „Ich war am Anfang so schlecht beim Bouldern, das hat mir keinen Spaß gemacht“, sagt die junge Frau. „In meiner damaligen Kletterhalle gab es auch einen Boulder-Bereich“. Dort habe sie es trotz der anfänglichen Abneigung immer mal wieder versucht. „Als ich dann besser wurde, hat es mir auch richtig Spaß gemacht“, betont sie und lächelt. Vor ungefähr vier Jahren hat sie dann das Klettern aufgegeben. Seitdem trainiert sie nur noch für’s Bouldern. Besonders gefalle ihr, dass es ein kommunikativer, sehr sozialer Sport ist. „Man trifft immer Leute und diskutiert auch über die Routen“, erklärt Lucie. „Zum Beispiel, wenn man eine nicht schafft und es einem anderen genauso geht. Dann überlegt man sich zusammen eine Lösung. Das finde ich schön“. Überhaupt sei die Atmosphäre ein großer Teil des Sports. Vielleicht ist es die besondere Atmosphäre, vielleicht das Miteinander, das immer mehr Menschen zum Bouldern bringt. Lucie hofft, dass das besondere Gefühl von Gemeinschaft und die Stimmung in der Halle sich nicht verändern, wenn nun immer mehr Menschen diesen Sport für sich entdecken.

Einer, der sich über jeden neuen Boulder-Begeisterten freut, ist Leonid Nazarov. Der 31-Jährige baut zusammen mit Sebastian Brand und Kilian Fröhlich gerade eine neue Halle im Leipziger Westen, das „Westbloc“. Die meisten Arbeiten erledigen die jungen Männer selbst. Auf seiner Jacke hat Leonid Farbspritzer. Der gebürtige Russe hat helle Augen und trägt einen Bart. Im Nacken hat er zwei lange Dreadlocks, der Rest der Haare ist kurz geschnitten. Er hat eine sportliche Figur, selbst durch die Kleidung kann man bei manchen Bewegungen die Muskeln an Schultern und Rücken erahnen. Die Kraft braucht er auch, denn er ist selbst leidenschaftlicher Boulderer. „Wir sind Teil der Szene und wissen, was die Leute wollen“, sagt er selbstbewusst. Das könnte ein Vorteil sein, wenn sie bald in Konkurrenz mit anderen Hallen um die Boulder-Gemeinde Leipzigs kämpfen. Dass sie sich von den bereits existierenden Hallen abheben müssen, weiß Leonid. „Wir wollen ein Rundum- Konzept für unsere Halle, und wir selbst bringen uns auch mit ein“, erklärt er den Plan. So sollen auf circa 850 m² Grundfläche und einer weiteren Ebene mit circa 350 m² neben Boulder-Wänden auch ein Yoga-Raum und ein Bereich für Kinder entstehen. [...]