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Erster weiblicher DJ der DDR

Eine Frau mischt das „sozialistische Jugendleben“ auf

Es war die Zeit, als Werbung noch Reklame hieß, Minikleider, auffällige Accessoires, schrille, bunte Farben, große Kragen und weit ausgestellte Hosen Mode waren. Zu Beginn der 1970er Jahre sorgte Christa F. für Aufsehen als erste Frau unter den männlichen Schallplattenunterhaltern (SPU), sprich „Discjockeys“. Es gelang ihr, zu Klängen vom Plattenteller und Tonband auch im Leipziger Treff 71 und in der großen (alten) Leipziger Messehalle die Stimmung hoch zu halten.

Im Sommer 1971 war ein junger Berliner Journalist unterwegs im Thüringer Land auf der Suche nach einer interessanten Geschichte über das „sozialistische Jugendleben“ für die „Neue Berliner Illustrierte“ (NBI). In Weimar wurde er fündig. Neben der Musikszene in den Studentenklubs „Kasseturm“ und „Schützengasse“- gab es dort das „Konzertcafé“, das Jugendliche nur das „KoKa“ nannten. Ab 20 Uhr hieß es: „Licht aus! Spot an!“ Auf der kleinen Bühne stand im Scheinwerferlicht hinter einem Mischpult eine junge Frau, die mit dem Tremeloes-Titel „Here comes my Baby“ Abend für Abend die tanzwütige Jugend aufs Parkett rief.
Stunden vorher unterhielt sie bei Kaffee und Kuchen Damen und Herren mittleren Alters mit Operettenmedleys. Der Journalist hatte seine Story, die man ein paar Tage später in der NBI unter der Überschrift „Christa F. und ihr Orchester“ lesen konnte.

Doch eines Morgens standen zwei Herren im Trenchcoat vor ihrer Wohnungstür, fuhren sie ins Polizeipräsidium der Stadt und verhörten Christa F. bis in den späten Nachmittag: Sie würde die 60 zu 40 Prozent Programmfolge mit den Musikproduktionen der DDR und des sozialistischen Auslandes auf der einen und der verpönten Westmusik auf der anderen Seite nicht einhalten – so der Vorwurf, der mit mitgeschnittenen Originalaufnahmen ihrer Abendveranstaltungen belegt wurde.
Erinnern wir uns: Staatschef Walter Ulbricht persönlich legte die Saat für das Klima des musikalischen Kahlschlags, als er 1965 gegen die Beatmusik wetterte: „Ich bin der Meinung, Genossen, mit der Monotonie des yeah, yeah, yeah, und wie das alles heißt, sollte man doch Schluss machen. Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der aus dem Westen kommt, kopieren müssen?“
So verlief der Tanzabend an jenem Tag, nachdem man sie entlassen hatte, ganz nach den Wünschen der Stasi: Volles Programm mit Amiga-Schlagern – und keiner aus dem jungen Publikum wollte danach tanzen. Es war wohl dem Engagement des HO-Gaststättenleiters des „KoKa“ zu verdanken, dass man es ihr nach und nach gestattete, wieder „Westmusik“ aufzulegen. Man sorgte sich wahrscheinlich um den Umsatz. [...]