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Röcken rockt!

Der Nietzsche Verein Röcken e.V. bei Lützen

Im beschaulichen Röcken, 10 km südwestlich von Leipzig im sachsen-anhaltinischen Burgenlandkreis gelegen, trifft man nach nicht allzu langer Suche auf die Dorfkirche aus dem 12. Jahrhundert. Im Jahre 1844 wurde hier der bekannte Philologe und Philosoph Friedrich Wilhelm Nietzsche getauft. Im benachbarten Pfarrhaus erblickte er das Licht der Welt. Heute befindet sich dort der Sitz des Nietzsche-Vereins Röcken e.V., dessen Arbeit uns Mitbegründerin und Vereinsleiterin Stefanie Jung vorstellt.

KiPPE: Idyllisch habt ihr’s hier. Wie lebt es sich so in Nietzsches Geburtshaus?
Stefanie Jung: Als ich hier eingezogen bin, war klar, dass ich auch etwas für die Gedenkstätte tun muss. Als ich mich für die Wohnung interessiert habe, gab es richtige Auswahlgespräche. Jeder Bewerber musste da ein eigenes Konzept für das Haus und das Gelände vorstellen.
Auch abends kommen hier immer mal Gäste, die man dann empfangen muss. Letztens erst waren sogar die ersten Flüchtlinge (aus dem Iran) da, die auf ihrer Flucht nur ein einziges Buch mitgehabt haben, und zwar den Zarathustra. Die sind zu Fuß aus dem Flüchtlingsheim in Nempitz gekommen, als sie gehört haben, dass in der Nähe Nietzsche begraben liegt. Das hat denen dann wieder unheimlich Kraft gegeben. Solche Geschichten erlebt man dann. Wenn man dafür kein Interesse und kein Ohr hat, ist man fehl am Platz.
Toll finde ich auch, dass dies hier ein Ort des Austauschs ist. Bei der letzten Lesung sind danach alle noch mit nach oben zu uns gekommen und so haben sich andere Nietzschefreunde kennengelernt und Pläne geschmiedet. Ich glaube, nur so funktioniert das: miteinander in den Austausch gehen, nicht nur primär das Finanzielle im Blick haben. Ich finde es schön, dass wir den Menschen einen Ort dafür anbieten können. Ich merke auch, wie befruchtend das ist.

Stellt euch doch mal vor. Was genau macht euer Verein?
Wir setzen uns dafür ein, dass wir regelmäßige Öffnungszeiten für Museum und Kirche anbieten können und dass Nietzsches Geburtshaus und Erbe im Ort erhalten bleiben. Ich finde es außerdem wichtig, dass man sich auch um die ländlichen Gebiete kümmert, und zwar nicht immer nur mit Bratwurst und Hüpfburg, sondern mit Kultur. Für die Zukunft sind außerdem Publikationen geplant.
Ein paar Mitglieder kommen aus dem Ort selbst, viele sind aus Leipzig, ein Mitglied unterstützt uns aus Siebenbürgen in Rumänien, ein Ehepaar kommt aus Peru.

Wer hatte die Idee zur Gründung des Vereins?
Zwei unserer Mitglieder, Dorothee Bertholdt und Richard Tauché, kommen aus unmittelbarer Nähe. Die Politikerin und der Künstler kümmern sich schon lange mit ein paar anderen aktiven Bürgern um den Erhalt der Gedenkstätte. Bei ihnen kann man sagen, dass sie eigentlich die Gründer des Vereins sind. Sie haben immer versucht, eine langfristige Lösung für Röcken zu finden. So war auch mein Umzug von Leipzig in das Geburtshaus an die Bedingung geknüpft, dass ich mich mit um das Gelände kümmere. Nach der Vereinsgründung sind dann viele Helfer aus Leipzig dazu gekommen.
Vor der Wende war Nietzsche im Ort kaum Thema und wurde nicht an den Schulen gelehrt. Es gab das Grab, was in den 1980er Jahren unter Denkmalschutz gestellt wurde. Es war aber schon immer ein Ort zum kritischen Denken, auch vor der Wende schon. Nach 1989 kamen dann andere Leute nach Röcken, wodurch es natürlich eine größere Aufmerksamkeit gab. Eine Zeit lang hat der Dorfpfarrer das Museum gemeinsam mit einigen Mitarbeitern geführt. [...]