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Kriminelles Leipzig?

Transparenz schaffen

Leipzig als Kriminalitätshochburg in Sachsen? Wie steht es wirklich um die Sicherheit in der Stadt? Dieses Thema steht ganz oben an bei den Problemen, die die Bevölkerung bewegen. Im Interview mit der KiPPE steht Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz Rede und Antwort.

Interview: Björn Wilda & Foto: Lutz Wabnitz


KiPPE: Kommen wir zunächst zum letzten großen Aufreger, zum Terroralarm am Hotel „Fürstenhof“. Wie haben Sie diesen Tag in Erinnerung?
B. Merbitz: Aufregend, nicht alltäglich, was unsere Polizeiarbeit betrifft. Nach den Ereignissen in Würzburg und Ansbach ist uns wohl allen klar geworden, dass es eine erhöhte Terrorgefahr in Deutschland gibt. Und dass nun auch Orte betroffen sind, die nicht so groß und namhaft sind wie etwa Berlin, Hamburg oder München. Wenn Telefonate, noch dazu aus dem Ausland, mit Drohungen bei uns eingehen, sind wir natürlich gehalten, dies äußerst ernst zu nehmen und darauf zu reagieren. Dass das Alltagsgeschäft der Polizeidirektion hier völlig aus den Fugen geworfen wurde, dürfte auch jedem klar sein. Das war kein Dummejungenstreich mehr. Wer so unsensibel handelt, beschwört irreparable Folgen herauf. Neben den Ermittlungen, wer sich hinter diesem Anruf verbarg, hatten wir gleichzeitig die Sicherheit des Hotels, die der Angestellten und Gäste zu gewährleisten. Der Hotelbetrieb sollte so normal wie möglich weiterlaufen und wir wollten keine Panik aufkommen lassen. Ich glaube schon, dass wir an diesem Tag unter Beweis gestellt haben, dass die sächsische Polizei im Zusammenwirken mit der Bundespolizei, dem LKA und Behörden aus Österreich schnell und besonnen reagieren konnten. Es hat natürlich viele Kräfte gebunden, die woanders nötig gewesen wären. Über 250 Beamte sowie vorbeugend auch Ärzte waren vor Ort. Natürlich sind wir glücklich über den Ausgang, aber sowas braucht man nicht jeden Tag.

Natürlich beschwören Ereignisse wie das um das „Fürstenhof“ wieder das Gefühl in der Bevölkerung herauf, dass die Unsicherheit gerade in Leipzig insgesamt wächst ...
Sowohl Sachsen ist ein sicheres Land als auch Leipzig eine sichere Stadt. Doch durch die Medien und die Schnelllebigkeit der Nachrichten werden diese wie eine Lawine verbreitet und so entsteht bei nicht wenigen Bürgern das subjektive Empfinden von weniger Sicherheit. Hin und wieder mache ich ein Experiment: Wenn ich eine Gaststätte oder ein Lokal aufsuche, trete ich an die Leute heran und frage sie, ob sie sich in Leipzig sicher fühlen. Dann nicken sie. Oder nehmen wir die Eisenbahnstraße. Dort habe ich Bekannte und Freunde, die sich durchaus nicht bedroht fühlen. Wenn ich mit Händlern spreche, dann spüre ich ihr Interesse an einem sicheren Viertel, und denen passt die Drogenkriminalität auch nicht. Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass die Eisenbahnstraße einen Kriminalitätsschwerpunkt darstellt. Gerade aus diesem Grund haben wir auch die Präsenz der Polizei dort erhöht. Leider wird ohnehin in den meisten Medien weniger der geglückten Aufklärung Beachtung geschenkt als der Straftat an sich. So war das beispielsweise bei den Brandanschlägen in Meißen und in Zwickau. Klar, manche Aufklärungsarbeit dauert etwas länger, aber wir haben gute Leute und die wissen, was zu tun ist.

Wie ist der Kontakt zur Bevölkerung?
Das Verhältnis hat sich verbessert, nicht zuletzt durch mehr Transparenz unsererseits. Das schafft Vertrauen. Da kommt auch Lockerheit nicht zu kurz.
Ich hatte mal folgende Begebenheit: Da bleibt eine Radfahrerin doch tatsächlich bei Rot an der Kreuzung stehen. Ich als Fußgänger daneben. Die Frau blickt mich groß an, kann wohl mit meiner Uniform nichts so recht anfangen, ist das was Historisches oder Maritimes, fragt sie. Als ich ihr sage, dass ich der Polizeipräsident persönlich bin, will sie sofort mehr wissen. Aber ich muss weiter. Ehe es Grün wird, ruft sie mir noch zu: Beim nächsten Mal, wenn wir uns wiedersehen, dann fahre ich bei Rot über die Straße, dann müssen Sie mich ja festhalten und dann hätten wir Zeit zum reden … Die Bürger wenden sich an uns mit Problemen dahingehend, wie wir sie gemeinsam angehen können. Zum Beispiel das Gebiet rund um das Rabet. Da werden Hecken und Büsche beschnitten und Flächen gereinigt, um Drogenverstecke zu vermeiden oder Rückstände zu beseitigen. Kleine, aber vertrauensfördernde Schritte. Wir von der Polizei wiederum versuchen die Präsenz vor Ort zu erhöhen, z. B. durch die Radstaffel oder durch sogenannte Hilfspolizisten. Jeder soll sich für die Stadt mit verantwortlich fühlen. Aber so sehr wir uns auch ins Zeug legen – eine kriminalitätsfreie Stadt wird es nicht geben, das ist illusorisch. Eine Stadt, die wächst und prosperiert, zieht immer Menschen unterschiedlicher Couleur an. [...]