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Mit Horn und Hellebarde

Nachtwächter ehrenhalber sind ein Völkchen für sich. Auf abendlichen Stadtrundgängen mit ihnen geht es nicht bierernst zu, da wird Geschichte mit Geschichten gewürzt und verbreitet. Bei Anekdoten und manchen Schnurren haben sie die Lacher auf ihrer Seite. Und wenn sie mal unter sich sind wie im vorliegenden Fall zu einem besonderen Anlass, dann geht es nochmal so hoch her.

Text & Foto: Björn Wilda


Als Thomas Reininger rief, kamen sie alle. Und war der Weg noch so lang. Die weiteste Anfahrt mit fast 700 km hatte Werner Hämmerle aus Bludenz im Vorarlberg (Österreich) hinter sich. Ziel Markkleeberg und dort das Torhaus. Mit dem 68-Jährigen kamen gleich über zwanzig weitere illustre Gäste aus Deutschland und Österreich, um Thomas Reininger zu huldigen. Was sie alle vereint: Sie gehören der Gilde der Nachtwächter an. Zumeist haupt- oder ehrenamtlich. Der gebürtige Leipziger feierte mit seinen geladenen „Kollegen“ sein zehnjähriges Dienstjubiläum im Zeichen von Filzhut, Horn, Hellebarde und Laterne. Ähnlich kostümiert und ausstaffiert seine Gäste, die es auch mal ordentlich krachen ließen mit Blashornsignalen, Sprüchen und unernsten Gesängen.
Der frühere Galvanotechniker Thomas Reininger war über viele Jahre hinweg mit Erwachsenen-Schulung beschäftigt. So lag es für ihn nahe, sich nach seinem Berufsleben mit Stadtführungen zu beschäftigten und nun auf nicht ganz so seriöse Art und Weise als Leipziger Nachtwächter Wissen und Histörchen zu vermitteln. Oder auch mal als Postmeister mit Dreispitz und im Livree in Markkleeberg mit Touristen unterwegs zu sein. Aber bis es dazu kam, bedurfte es noch eines Anstoßes von außen…

Nun also Markkleeberg als Ort dieses besonderen Treffens. Es geht familiär zu. Reiningers Ehefrau Jutta als gewandetes Nachtwächterweib ist ebenfalls dabei, so wie andere Gattinnen in ähnlicher Aufmachung mit Häubchen und Schürze oder im Dirndl. Nur Anna Glossner aus Berchtesgaden fällt da aus der Rolle. Die agile 70-Jährige trägt das auffällig farbige Gewand eines Landsknechts, das ausladende Barrett mit Federschmuck ist der Hingucker.
„Ihr lieben Leute“, lässt schließlich der Berufsjubilar in der aufmerksamen Runde in passender Diktion verkünden, „lasst euch sagen, dass euer Kommen an diesem historischen Orte mir ungeheure Freude bereitet!“ [...]