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„Lerche des Völkerfrühlings“

Zum 200. Geburtstag von Louise Otto-Peters

Fliegen lernen und nicht kriechen, sich nicht unterkriegen lassen, sondern aufstehen und für sich selbst einstehen, das ist auch heute eine Herausforderung, nicht nur für Frauen. Vielleicht gilt das heute umso mehr, da Leid schwerer als Teil des Lebens akzeptiert wird als noch vor wenigen Jahren. Louise Otto-Peters konnte diesem nicht ausweichen. Und sie wurde in eine Zeit hineingeboren, in der allen noch die Katastrophen der Kriegszeit in den Knochen lag.

Text: Bettine Reichelt & Reproduktion: Wikipedia


1819 waren die Napoleonischen Kriege kaum beendet und noch weniger verwunden. Man war noch dabei, überhaupt sich aus den Trümmern herauszuarbeiten. Louise Otto hatte das Glück, in eine wohlhabende und weltoffene Familie hineingeboren zu werden. Sie war die jüngste von fünf Töchtern des Gerichtsdirektors Fürchtegott Wilhelm und seiner Ehefrau Charlotte Otto in Meißen. Ihr Vater stand dem Thema Bildung für Mädchen sehr offen gegenüber. Keine Selbstverständlichkeit zu dieser Zeit. Für Mädchen endete die Schulzeit mit der Konfirmation. Um seiner klugen und aufgeweckten Jüngsten ein Jahr länger Bildung zu ermöglichen, verschoben die Eltern die Konfirmation um ein Jahr. Eine Rolle spielten dabei aber wohl auch die zahlreichen Erkrankungen des Mädchens. Zudem bezog der Vater seine Familie in politischen Gespräche mit ein. Er las beispielsweise aus der Zeitung vor, damals ein untypisches Verhalten. Frauen hatten die Aufgabe, sich um Heim und Herd zu kümmern. Politik war nichts für sie, hieß es. Louise Otto interessierte sich aber gerade dafür und nahm das Zeitgeschehen wach wahr.
Im Anschluss an ihre Schulzeit bildete sich Louise Otto im Eigenstudium weiter. Lang war ihr diese behütete Zeit der Freiheit bei ihren Eltern nicht mehr vergönnt: Ihre Eltern starben kurz nacheinander. Mit 17 Jahren war sie Vollwaise. Die Erbschaftsregelung ermöglichte den Töchtern weiterhin ein relativ unabhängiges Leben. Louise Otto blieb im Elternhaus unter der Obhut einer Tante und lernte es, allein mit dem Leben fertig zu werden.
Eine Hochzeit gehörte zum Lebensplan. 1840 lernte sie in Dresden den liberalen Anwalt Gustav Müller kennen und lieben. Sie verlobten sich im Juli, kaum ein Jahr später starb er. Diese neue Konfrontation mit dem Leid und ihre Begegnungen mit dem schweren Leben von Arbeiterinnen in Oederan galten als die entscheidenden Wendepunkte in ihrem Leben, an denen sie sich bewusst für das Schreiben und das Veröffentlichen entschied. 1842 wurde erstmals ein Gedicht von ihr veröffentlicht. Als ihr erster Roman erschien, war sie gerade einmal 23 Jahre alt. [...]