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Yamen und Sanadak – Über eine App für traumatisierte syrische Geflüchtete

An der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig existiert das Forschungsprojekt „HELP@APP“ des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health. In diesem Projekt wurde „Sanadak“ entwickelt. Sanadak heißt übersetzt ‚Deine Stütze‘. Der Name ist Programm. Diese App ist auf Arabisch und soll syrischen Geflüchteten bei der Verarbeitung traumatischer Erlebnisse helfen.

Text: Pauline Szyltowski & Foto: Nikolas Fabian Kammerer


„Ich denke ich war nicht so traumatisiert, dass ich die App gebraucht hätte. Ich bin immer zurechtgekommen. Vielleicht kann ich das auch nicht so gut einschätzen, immerhin hab‘ ich täglich mit der App zu tun. Natürlich muss ich sagen, dass ich auch viele schockierende Sachen erlebt habe. Einmal ist zum Beispiel eine Bombe wenige Meter neben mir explodiert. Es gab Sicherheitskontrollen, bei denen ich nicht wusste, ob ich wieder nachhause komme oder nicht. Ich hab genug erlebt, um ein Trauma davon zu bekommen, aber irgendwie habe ich die Erfahrungen relativ schnell verarbeitet.“

Diese Worte stammen von Yamen Khamis (Foto). Er ist Mitarbeiter im besagten Forschungsprojekt „HELP@APP“. In Deutschland sind Syrer die größte Gruppe unter den Geflüchteten. Im Krieg, während der Flucht und während des neuen Lebens in einer völlig fremden Kultur sind sie mit einer Vielzahl schwieriger Erlebnisse konfrontiert. Gewalt, Folter und Verluste können zu sogenannten posttraumatischen Belastungen führen und erhöhen ganz allgemein das Risiko psychisch zu erkranken. Symptome posttraumatischer Belastung wie Albträume, Flashbacks, Stress oder Schlafstörungen erschweren das Leben der Betroffenen zusätzlich zu den täglichen Herausforderungen. Und oftmals geht posttraumatischer Stress mit weiteren psychischen Erkrankungen einher, etwa Angststörungen, psychosomatische Schmerzen oder Depressionen.

Sanadak ist eine der ersten Apps zu dem Themenbereich, die sowohl psychoedukativ und interventionell ausgerichtet ist. Oder einfacher gesagt: Den Nutzern wird wissenschaftlich fundiertes Wissen vermittelt und Hilfestellung zur Selbstbehandlung der Belastung angeboten. Zudem ist Sanadak sowohl ansprechend gestaltet als auch durch den modularen Aufbau angenehm übersichtlich. Außerdem ist sie eine der wenigen Apps, die wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit geprüft, also evaluiert, sein wird. Umso erfreulicher ist es, dass die Initiative zu diesem Projekt aus dem Osten, Sachsen, Leipzig kommt. Aus einer Region, in der Pegida oder Legida marschierten und die AfD gefühlt mehr Unterstützung erfuhr als die Flüchtenden aus Kriegsgebieten. Auch Yamen ist geflüchtet. Der 27-jährige ist in Damaskus aufgewachsen, der Hauptstadt Syriens. Die Terrormiliz Islamischer Staat, kurz ‚IS‘, spielte dort zwar keine große Rolle, die Kämpfe zwischen der Regierung und oppositionellen Gruppen umso mehr. Schießereien auf offener Straße wurden Alltag in seiner Heimat. Er erlebte Bombenanschläge aus direkter Nähe, sah wie ein Hubschrauber der Regierung von der Opposition abgeschossen wurde und musste damit leben, dass viele seiner Bekannten getötet oder während des Militärdienstes fielen. Auch für ihn nahte der Tag, an dem er seine Wehrpflicht antreten hätte müssen. Doch er wollte nicht kämpfen oder gar sterben für einen Krieg, den er nicht unterstützt. [...]