Vor drei Jahren hatten wir in der KiPPE Caroline Amelie vorgestellt. Da war sie noch auf dem Weg, endlich komplett im weiblichen Körper anzukommen. Geboren und lange Zeit gelebt im verkehrten und ungeliebten Körper. Bei unseren Treffen stand sie noch vor dem entscheidenden Eingriff, der geschlechtsangleichenden OP. Es gab kein Zurück mehr. Viel ist seitdem geschehen, sowohl in ihrem privaten als auch beruflichen Umfeld. Wir hatten damals abgemacht, uns erneut zu begegnen, um von ihrem weiteren Werdegang nach der OP zu erfahren. Hier nun unsere Fortsetzung.
Text & Foto: Björn Wilda
Was ist, wenn die Seele auch nach so vielen Jahren hin und wieder Stiche bekommt? Weil da immer noch Bilder aus der Vergangenheit im Kopf spuken. Caroline wird darauf zurückkommen. Trotzdem bestimmen diese Bilder nicht ihr Heute. Denn: „Ich bin endlich angekommen“, sagt sie und strahlt ihr Gegenüber offen an. Sie beschreibt es augenzwinkernd in Anlehnung an unseren ersten Beitrag auch so: „Meine zweite Pubertät ist nun zu Ende.“
Flankiert wird Caroline von Volker Klotzsch und Oliver Matthes. Beide kommen vom Film. Es geht um eine Langzeitbeobachtung. Auch darüber wird noch zu reden sein. Und wieder sitzen wir vorm Spizz, wie damals bei unserer ersten Begegnung. Zufall ist das nicht. Trotz vieler Veränderungen und Wandlungen ist der Drallewatsch der Gastronomin Caroline eine lieb gebliebene Konstante. Obwohl sie dort schon lange nicht mehr arbeitet.
Wandlungen. Die geschlechtsangleichende Operation hat Caroline nun hinter sich. Das war im vorigen Jahr in Weiden in der Oberpfalz. Der unumkehrbare Schritt war getan. „Die OP ist perfekt gelaufen“, berichtet Caroline, „und ich habe sie gut verkraftet.“ Sie trägt ein gepunktetes kurzes Kleid, darüber einen dunklen Blazer. Die Füße stecken in Doc Martens. Jetzt ist sie Ende 50 und hat ihr Leben nicht nur körperlich einem Wandel unterzogen. Sie wohnt nicht mehr in Gohlis mit Sohn Julien zusammen. Julien ist inzwischen 21 und geht seine eigenen Wege. Er macht in Leipzig gerade seinen Bachelor und will in die Computerbranche. Inzwischen lebt Caroline mit ihrem Freund in Mockau, „dort, wo die Hochhäuser stehen.“ Ihren Job in einer Lokalität im Musikviertel, das war noch vor der OP, hatte sie geschmissen, „der Chef wollte uns alle über den Tisch ziehen“, wie sie lakonisch bemerkt. Zu ihrem Angekommensein gehört nun auch, dass sie dort, wo sie jetzt tätig ist, in einem großen Grillrestaurant am Bildermuseum mit einem Namen, der in ihrer Kindheit immer an ihrer Seite war, wenn die dunkle Stunde wieder über sie hereinbrach, die ganze Belegschaft hinter sich weiß. „Hundertzwanzigprozentig, und wo ich auch im Berufsleben endlich Ich sein kann“, wie sie betont. „Als ich dort anfing, dachten einige Kollegen sogar, dass ich schon immer eine Frau wäre.“ Doch das ist es nicht, was ihre Beliebtheit ausmacht. Es ist ganz einfach die Art, mit welcher Leidenschaft sie ihren Job macht, wie sie auf die Gäste zugeht und wie ihre gewinnende Art sowohl auf die Gäste als auch auf ihre Kollegen abfärbt. Weil sie zuerst ein Mensch und eine Menschenfreundin ist und erst dann Caroline, die früher mal Rainer hieß. [...]