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Therapie, Motivation, Erprobung: Mit Adaption in ein neues Leben finden

Wenn einem das eigene Leben durch eine Suchterkrankung entgleitet, wenn sich Beziehungen zu Partnern, Kindern und Freunden auflösen und geordnete Alltagsverhältnisse zu Bruch gehen, dann ist eine stationäre Therapie oft der einzige Weg aus der Abwärtsspirale. Für viele Betroffene ist sie aber nur der erste Schritt zurück in ein abstinentes und zufriedenes Leben. Sogenannte Adaptionseinrichtungen unterstützen Patienten auch im Anschluss und bereiten sie auf den Alltag vor.

Text: Ramon Bauer & Foto: Alicia Müller


Auch in Leipzig bieten solche Einrichtungen umfassende Hilfestellungen. Eine davon ist momentan mein Zuhause, Therapieort und sozialer Mittelpunkt. Weil ich aus eigener Erfahrung sagen kann, dass eine zusätzliche Phase zwischen Therapie und „echtem Leben“ in vielerlei Hinsicht guttut und sinnvoll ist, möchte ich von diesem ungleichen Zwilling der stationären Langzeittherapie erzählen. Aber der Reihe nach …

Ich bin suchtkrank, seit rund 20 Jahren. 2018 habe ich in einer steil ansteigenden Kurve immer mehr Alkohol getrunken, zuletzt zwei bis drei Flaschen Wodka am Tag. Seit fünf Jahren nahm ich morgens Opioid-Tabletten, um in die Gänge zu kommen. Unfälle, das Ende einer langjährigen Beziehung und natürlich Auffälligkeiten bei der Arbeit waren die direkte Folge. Eine Selbstzerstörung, die durch einen Todesfall in meiner Familie noch beschleunigt wurde. Obwohl ich von verschiedenen Seiten immer wieder hörte, ich solle eine Therapie machen, habe ich mich lange Zeit dagegen gewehrt: „Ich kann das alleine schaffen“, „Eine Entgiftung und dann Psychotherapie, das reicht“, „Ich muss doch arbeiten gehen“ …

Mit solchen und ähnlichen Äußerungen schob ich das Unvermeidliche immer wieder auf. Unvermeidlich, da bei mir die Toleranzentwicklung gegenüber dem Alkohol sehr stark ausgeprägt war und es bei steigenden Mengen einfach irgendwann nicht mehr möglich ist, „normal“, d. h. funktional und selbsterhaltend, zu leben. Man stürzt tatsächlich ab, verliert die Kontrolle.

2018 kam ich auf vier stationäre Entgiftungen, einen Unfall mit zwei Frakturen, drei Mal bin ich in Krankenhäusern zu mir gekommen und drei Mal hat mich die Polizei heimgebracht, weil ich abends schlafend oder apathisch aufgegriffen worden war. Hinzu kommen etliche „Ausfälle“ im Haus, ziellose Zugfahrten, verlorene Wertgegenstände und vergessene Termine. Die Liste der Beinahe-Katastrophen wurde lang, bevor ich mit Unterstützung meines damaligen Arbeitgebers den ersten Therapieversuch unternahm. Es sollten zwei Anläufe werden und der zweite gelang schließlich. In der Nähe von Stuttgart verbrachte ich dann drei Monate in einer Suchtklinik. Im Verlauf meiner Therapie dort wurde deutlich, dass ein konsequenter Wechsel von Wohnort und Umfeld für meine zukünftige Stabilität und damit für meine körperliche und geistige Gesundheit förderlich wäre. Dies war dann der Zeitpunkt, an dem ich erfuhr, was eine Adaption ist. Ein Sozialarbeiter der Klinik erklärte mir geduldig, dass ich nicht weiter in Stuttgart wohnen und arbeiten müsse; ich könne zwischen verschiedenen Orten wählen, sofern Plätze frei wären, ich würde dort therapeutisch betreut. [...]