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„Wo der Bürger aufhört, beginnt das Paradies“

„König der Vagabunden“, Anarchist, Bürgerschreck, Chefredakteur des Vorläufers aller Straßenzeitungen, Organisator des „Ersten Internationalen Vagabundenkongresses“. Gregor Gog ist in der Weimarer Republik so prominent wie gefürchtet. Ein Comic zeichnet nun seine politische Biografie und damit einen fast vergessenen Teil deutscher Sozial- und Bewegungsgeschichte nach.

Text: Bastian Pütter & Illustration: Bea Davies

Es ist die Zeit der gesellschaftlichen Transformationen, der Revolutionen und der Menschheitskatastrophen in Europa, in die Gregor Gogs Lebensspanne fällt. 1891 in Schwerin an der Warthe (heutiges Skwierzyna in West-Polen) geboren und in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, ist Gogs Biografie selbst geprägt von Umbrüchen und Richtungswechseln, von kurzem Ruhm – und von Leid sowie Entbehrungen bis zum frühen Tod im sowjetischen Hinterland 1945.

Eigentlich will Gog nur die Welt sehen. Mit 19 zu alt zum Anheuern auf Handelsschiffen, geht er zur Kriegsmarine – und wird 1914 unfreiwillig zum Kriegsteilnehmer, der Beginn seiner politischen Biografie. „Gog ist spätestens während des Ersten Weltkrieges mit anarchistisch gesinnten Matrosen zusammengekommen und hat dort einen illegal organisierten Lesezirkel besucht“, sagt Patrick Spät, Autor des soeben im Avant-Verlag erschienenen Comics „Der König der Vagabunden“. „Ab da war er, um es kurz zu machen, Anarchist.“ Mehrmals steht Gog wegen Anstiftung zur Meuterei und der Verbreitung antimilitaristischer Propaganda vor Militärgerichten, wird in „Irrenhäuser“ eingewiesen, nierenkrank durch die Haft wird er 1917 als „dauernd kriegsunbrauchbar“ entlassen. 1918 beteiligt er sich am Kieler Matrosenaufstand und wandert nach dem Scheitern der Revolution ins schwäbische Bad Urach. Die „Kommune am Grünen Weg“ ist Anziehungspunkt für Anarchisten, Kommunisten, Künstler, Proto-Hippies, Lebensreformer, Wanderprediger.

Herberge für alle
Der Comic zeigt Gog mit seiner Frau Anni Geiger-Gog, mit dem Dichter und Räterepublikaner Erich Mühsam, mit dem Wanderprediger und „Vater der Alternativbewegungen“ Gusto Gräser und dem späteren DDR-Hymnendichter und -Kulturminister Johannes R. Becher in einer Art libertärem Paradies. Gog verlässt es, weil er die Wanderschaft und die praktische Politik den neochristlichen Heilslehren vorzieht. Unterwegs lernt er den Dortmunder Maler Hans Tombrock und die Tänzerin und Dichterin Jo Mihaly kennen. Die „Tippelschwester“ mit dem angenommenen Roma-Namen wird viele Gedichte für Gogs Zeitschrift „Der Kunde“ schreiben. Ihre Bücher werden von den Nazis 1933 verboten und verbrannt. [...]