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Willkommen im Internet

„Ich feiere die Möglichkeiten des Internets“

Katja Röckel (45) arbeitet seit knapp 20 Jahren im Bereich Medienpädagogik in der Hörfunk- und Projektwerkstatt Leipzig. Außerdem hat sie eine eigene Radiosendung „Mrs. Pepsteins Welt“, die aller vier Wochen bei Radio Blau und anderen deutschsprachigen freien Radios läuft. Im Interview fragten wir sie nach ihrer privaten und beruflichen Perspektive auf das Thema Internet und Digitalisierung.

Interview: M. Arendt und S. Feldbacher & Foto: privat


KiPPE: Wie stehst du persönlich zum Internet?
K. R.: Ich finde das Internet gut. Es ist ein großer Fortschritt und bereichert die Gesellschaft als Parallelkosmos, in dem es aber auch Regeln braucht. Viele sagen, da lauern so viele Gefahren, aber die lauern auch, wenn ich auf der Straße ohne Fahrradhelm unterwegs bin. Man muss wissen, wie man sich informieren kann, was man beachten muss, gerade in Familien. Ich selbst feiere die Möglichkeiten des Internets. Ich vernetze mich gern, vor allem in Sachen Feminismus und Radioarbeit, und das geht über das Internet viel besser und einfacher als per Post oder Telefon. Toll ist auch die Verbreitung von Wissen. Ich bin früher in die Gemeindebibliothek gegangen und war davon abhängig, welche Bücher da eingekauft wurden. Heute finden Jugendliche alle Informationen im Internet, ohne dass sie jemanden fragen müssen und das vielleicht peinlich ist. Ich bin pro Internet, aber mit Zeigefinger in Klammern.

Was sind gute, was kritisch zu sehende Aspekten aus pädagogischer Perspektive?
Ich fange mit den kritischen Aspekten an: Zum einen die hohe Nutzungsdauer junger Leute. Die hat in den letzten Jahren und durch Corona noch einmal extrem zugenommen. Man sollte auch mal an die frische Luft gehen oder etwas Haptisches machen. Andererseits sollten Erwachsene auch aufpassen, dass sie nicht in einen bewahrpädagogischen Modus kippen. Denn es gibt in jeder jungen Generation etwas Neues mit Suchtpotential. Zu meiner Zeit kamen die Game Boys auf, und man hat manchmal stundenlang Tetris gespielt.
Dann wäre da noch die Anonymität, die Vor- und Nachteile hat. Wenn ich mich im Internet bewege und etwas preisgebe, was ich gar nicht so schlimm finde, aber jemand anderes macht etwas damit – ich formuliere das bewusst ein bisschen abstrakt – könnte das zu einem Problem werden. Das richtige Maß an Anonymität muss man lernen. Viele Kinder und Jugendliche wissen da mehr als Erwachsene, die dennoch begleitend tätig sein sollten. Man muss als Familie einen Weg finden und Kindern ein Rüstzeug mitgeben, damit man sie später selbstständig ins Internet entlassen kann. Weitere Gefahren sind der teilweise schlechte Datenschutz sowie Hatespeech und Mobbing. Da sind viele betroffen, und man kann schnell zum Opfer oder Täter werden.
Positive Seiten sind auf jeden Fall dieser Vernetzungsaspekt, der auch für Jugendliche wichtig ist. Wenn man z. B. in einem Dorf hockt und spezielle Interessen hat – jegliches Nerdtum wird im Internet gefeiert, und man findet dazu viele Informationen und auch eine Community. Sicher ist das kein Ersatz für Freunde im realen Leben, aber als Austausch- und Unterstützungsmöglichkeit kann das wichtig sein. Natürlich mit der Klammer: Mit wem kommuniziere ich jetzt? Das muss man beachten.
Was ich noch für einen positiven Aspekt halte ist, dass man im Internet Dinge gestalten und sich ausprobieren kann, auch gemeinsam wie z. B. in einigen Onlinespielen mit kollaborativem Charakter oder eben auf einem Instagram-Account. Natürlich gibt es da viele Selfies, aber Jugendliche sind auch kreativ unterwegs. Man kann heute super viel Content selbst produzieren, z. B. auch Videos bei YouTube hochladen – wobei man hier reflektieren sollte, was genau man da öffentlich stellt. [...]