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Quo vadis, Leipzig?

Ist es schon zu spät?
Gewalt ist keine Lösung – Leerstand auch nicht

Connewitz wieder einmal. Es brennen Autos, Müllcontainer und Barrikaden, es fliegen Steine und Feuerwerkskörper. Gewalt und Gegengewalt als Mittel der Auseinandersetzung? Dabei geht es nicht mehr nur um Connewitz, vielmehr werfen die Ereignisse in diesem Stadtteil ein Licht auf ein Problem, dass ganz Leipzig längst erfasst hat, aber lange verdrängt wurde: steigende Mieten, immer weniger bezahlbares Wohnen. Es geht darum, statt ständiger Konfrontationen den Kontakt zu suchen, sich überwinden und aufeinander zugehen.

Text & Foto: Björn Wilda


Der Bart ist ab, die Lage ernst: Leipzigs OB Burkhard Jung (SPD) hatte auf einer Pressekonferenz Anfang September Stellung genommen zu den Krawallen in Connewitz, die im Zusammenhang standen mit denen in der Ludwigstraße im Leipziger Osten. Auslöser dort waren die Besetzung eines leerstehenden Hauses und die anschließende Räumung durch Einsatzkräfte der Polizei gewesen. In Connewitz hatten sich die Ereignisse an die Räumung eines besetzten Hauses in der Bornaischen Straße entzündet. Was betroffen macht, ist die Eskalation von Hass, Intoleranz und blinder Wut durch gewaltbereite Linksextremisten, denen es auf eine einvernehmliche Lösung gar nicht ankommt. Damit fallen sie jenen Vertreter-Innen in den Rücken, die auf friedlichem Wege Forderungen stellen und etwas bewirken wollen.

Was nichts daran ändert, dass die Probleme schon lange auf dem Tisch liegen. Der Stadt sei das durchaus bewusst, und deshalb sei es „Unsinn“, so der OB weiter, dass die Stadt durch gewalttätige Aktionen auf die Probleme am Wohnungsmarkt hingewiesen werden müsse. „Die Angebotsmieten für freie Wohnungen in Connewitz sind seit 2013 um über 40 Prozent gestiegen“, gab Burkhard Jung an. Der neue City-Report des Immobilienspezialisten BNP Paribas Real Estate spricht konkret von 48 Prozent – der stärkste Anstieg von allen Leipziger Stadtteilen! Dahinter stehen aktuell im hochpreisigen Bereich und bei Neubauten Mieten von bis zu 15 Euro pro Quadratmeter.

Ausgeführte Projekte bzw. Bauvorhaben wie die Parkresidenz An der Mühlholzgasse mit 23 Eigentumswohnungen, vier Häuser mit insgesamt 110 Wohnungen an der Leopold-/Ecke Wolfgang-Heinz-Straße, die Thalysia-Höfe an der Scheffelstraße mit 220 Neubauwohnungen oder das Südcarré mit 40 Eigentumswohnungen an der Wolfgang-Heinze-Straße zeugen von einem rasanten Wandel der jüngsten Zeit in diesem Stadtteil. Längst hat auch hier die Gentrifizierung eingesetzt. Verdichtung bzw. teure Sanierung, wie sie ebenso in vielen anderen Stadtteilen wie etwa Zentrum-West, Zentrum-Ost oder Reudnitz stattfinden, treiben die Angebotsmieten natürlich nach oben. Alteingesessene, Geringverdienende und Alternative fühlen sich längst verdrängt. Wie also soll es in Connewitz und anderswo weitergehen, ohne dass Gewalt die einzige Antwort ist? „Wir suchen das Gespräch“, so der OB. Das sollte schon längst stattgefunden haben, wurde dann aus verschiedenen Gründen immer wieder verschoben. Zuletzt musste Corona herhalten. Als ob Connewitz erst jetzt das Problem wäre. Und nun scheint es schon fast zu spät zu sein. [...]