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Unsichtbar

Unbekannte Nachbarschaft

Interview mit dem Religionswissenschaftler und Mitgestalter des Projekts „Un-sichtbares Halle“, Thomas Krutak von der Universität Leipzig.

Interview: Arne Hofmann & Foto: privat


KiPPE: Was ist das Projekt „Un-sichtbares Leipzig“?

Thomas Krutak: „Un-sichtbares Leipzig“ war eigentlich ein Projekt von Studierenden der Leipziger Religionswissenschaft, die sich überlegt haben, was können wir eigentlich tun, um das Wissen, das wir gesammelt haben, auch der breiteren Gesellschaft zugänglich zu machen. Die Ergebnisse wurden dann auf der Website (heute ist es: un-sichtbar.hypotheses.org) veröffentlicht und zugänglich gemacht. Ich selbst bin aber erst zum Netzwerk gekommen, als die Anfrage kam, ob ich als Dozent der Religionswissenschaft nicht ein ähnliches Projekt auch für Halle betreuen könnte.

Warum gibt es so viele religiöse Gemeinschaften, die unsichtbar sind?

Das hat nicht unbedingt etwas mit Größe zu tun, sondern es gibt ganz verschiedene Ursachen. Ein wichtiger Punkt ist natürlich, wie lange die Religionsgemeinschaft schon vor Ort ist. Also welches Standing sie hat, welche finanziellen Ressourcen und auch welche Orte sie zur Verfügung hat. Das korrespondiert natürlich nicht immer mit Vorstellungen, die wir im Alltag von Religionen haben. Beim Christentum denkt man eben an Kirchen oder beim Islam an Moscheen mit Kuppeln, man verbindet Religionen mit diesen Orten, die auch Wegmarker sind. Die Vorstellung, dass Religion immer so sichtbar ist, trifft aber nicht zu. Die Eisenbahnstraße zum Beispiel ist seit längerem von Zugewanderten geprägt. Einige dieser neuen Leipziger brauchten eigene Gebetsstätten vor Ort und haben dafür Gebäude umgewidmet. Es sind dann Wohnungen oder eine Halle in einem Gewerbegebiet, die zu Versammlungsorten oder Moscheen wurden. Auch eher unbekannte religiöse Gemeinschaften wie die Baháí haben dort einen ehemaligen Laden zu ihrem Gemeindezentrum gemacht, weil es rund um die Eisenbahnstraße diese günstigen Freiräume gab. Aber man muss gar nicht so weit aus dem Zentrum heraus. Die katholische Kirche St. Trinitatis ist von außen für alle gut als christlicher Ort zu erkennen. Trotzdem treffen sich darin auch andere Gemeinschaften als die römisch-katholische Gemeinde. Es finden dort orthodoxe Gottesdienste statt, also für Christen aus dem Nahen Osten. Und es gibt auch katholische Gottesdienste auf Polnisch oder Spanisch. [...]