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Zwischen Lagerfeuer und Offiziersskat

Vor zwei Monaten hatten wir die Hobby-Fotografin Maria Notbohm vorgestellt und über ihre Begegnung mit Torsten berichtet, der als Obdachloser in einer Fabrikruine im Leipziger Westen Unterschlupf gefunden hat. Frau Notbohm gab Torsten eine Kompaktkamera und bat ihn, Fotos sowie Notizen über seinen Alltag zu machen. Nun hat Maria Notbohm aus Torstens Angaben einen Text verfasst und sie „habe versucht, auch etwas von seiner Sprechweise mit einzubringen, habe einiges aber auch ein wenig abgerundet“, wie sie uns mitteilte. „Die in diesem Text enthaltenen Fotos sind von Torsten, gemacht mit der kleinen von mir übergebenen Kamera.“

Aufzeichnung: Maria Notbohm (nach Vorlage von Torsten)

Jeden Tag drehe ich gegen 7.00 Uhr meine erste Runde. Die Container stehen nicht weit entfernt. Das Sammeln von Flaschen ist mein einziger „Verdienst“, Betteln ist unter meiner Würde. Manchmal steckt mir jemand was zu, welches ich auch dankbar annehme. Diese Runde wiederhole ich so lange, bis wenigsten drei, vier Flaschen Bier bei rausspringen. Ab und zu treffe ich unterwegs einen Kumpel. Naja, kann sein, dass ich mit ihm dann auch eins trinke. Heute war die Ausbeute gering, zwei Bier, gut, mein „Mittagessen“. Ich ging also zurück. Überraschung! Auf dem Tisch stand eine Tüte mit belegten Brötchen, etwas Obst...
Eigentlich kommen sie immer sonntags, wie gestern. War wohl noch etwas übrig. Ich öffnete mir ein Bier, und da hörte ich Schritte, tatsächlich Besuch. Er sagte: „Ganz schön kalt, hab ‘ne Flasche Glühwein mitgebracht, machste den heiß...?“ So holte ich die Utensilien wie Spirituskocher, Brennspiritus, Mehrzweckkochtopf (mal für Wasser, etwas Gemüse, Fertigsuppen, selten Reis), zusammen. Da es windstill war, konnte ich es hier auf dem Tisch zubereiten, sonst in meinem „Schlafgemach“, gleichzeitig „Vorratskammer“. So hatten wir doch noch eine warme „Mahlzeit“. Wenigstens genieße ich diese einmal in der Woche, am Freitag, regelmäßig in der „Freien evangelischen Gemeinde Leipzig“. Dort treffe ich auch oft mehrere Kumpels von mir. Gern würde ich sie ja auf einem Foto vorstellen, aber das wollen sie (noch) nicht, obwohl mir schon recht gute Schnappschüsse gelungen sind und die Fotos auch gern genommen wurden (Maria hatte Abzüge machen lassen und mir diese zum Verschenken gegeben.) Aber ein Kumpel hätte nichts dagegen, doch den muss ich erstmal erwischen. Er kommt mich ziemlich regelmäßig besuchen und kennt meine „Speisekammer“. Da er aber nachtaktiv ist und ich dann immer da bin, sind meine Vorräte recht sicher. Neuerdings kommt er mit seinem Freund oder seiner Freundin. Naja, zu zweit erreicht man vielleicht mehr? [...]