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„Ich lebe hier.“ Grün und Grau – Grünaus Gesichter

Das Plattenbaugebiet am Rande Leipzigs hatte lange Zeit einen schlechten Ruf. Armut, Drogen, Leerstand und Überalterung sind gängige Vorurteile gegenüber Grünau. Täuscht der erste Eindruck oder wird Grünau dem Stigma des sozialen Brennpunktes gerecht? Wer wohnt wirklich in Grünau und was steckt hinter den platten Vorurteilen? Eine Reportage über Grünaus Bewohner und deren Kampf um einen Imagewandel.

Text und Foto: Sophie Brückom

Ich sitze in der Bahn und fahre in Richtung Leipzig-Grünau. Vorbei ziehen Mehrfamilienhäuser mit kunstvollen Außenfassaden. Davor belebte Ladenstraßen mit Leuten, die in Schaufenster kleiner Geschäfte blicken. Ein paar Haltestellen westlicher, und die Aussicht verändert sich. Ein Supermarkt reiht sich neben einen Plattenbau. Mit fader Fassade und heruntergekommenem Hauseingang, angepasst an den betonierten Asphalt der Straße. Hochragend kratzt das Gebäude in der Stuttgarter Allee nicht an den Wolken, sondern verschwimmt im gräulichen Dunst der anderen Plattenbauten. Trostlos und ausgestorben wirkt der Sechzehngeschosser auf seinen Betrachter. Eine Platte wie viele in Grünau.
Zunächst besuche ich zwei Jugendliche, die beide erst seit vier Jahren in Grünau leben. Felix* (16) und Samuel* (15) gehen beide in die 10. Klasse des Max-Klinger Gymnasiums. Samuel verbringt seine Freizeit beim Trainieren im Grünauer Basketball-Verein „Leipziger Eagles.“ Die Möglichkeit, viel Zeit mit Kumpels, Familie und Freunden zu verbringen, ist für beide Jugendlichen ein besonderes Merkmal des Stadtteils.
Obwohl Samuel und Felix nur teilweise in Grünau aufgewachsen sind, fühlen sie sich dem Plattenbau am Rande Leipzigs zugehörig. „Probleme mit Drogen gibt es, aber die gibt es in anderen Stadtteilen Leipzigs auch“, erklärt Samuel. Grünau habe jedoch bestimmte Bezirke, die sein Freund Felix als „schwierig“ wahrnehme. Doch der Stadtteil sei deswegen noch lange kein sozialer Brennpunkt, betont er.
„In anderen Stadtteilen wie beispielsweise in Volkmarsdorf, insbesondere entlang der berüchtigten Eisenbahnstraße, sind die Lebensbedingungen und die Situation im allgemeinen sehr schlecht“, meint Samuel. Und fügt hinzu: „Weil die Kriminalität sehr hoch und es ein Segregationsgebiet ist.“ In Grünau hingegen gäbe es viele Schulen und auch Gymnasien und viele Aktivitäten für Jugendliche. Die Freunde schätzen an Grünau besonders die Vielfältigkeit, das soziale Miteinander und die verschiedenen Kulturen, die hier zusammen kommen. [...]