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Von Menschen, Trümmern und fahrendem Fotografen

Karl Heinz Mai als Dokumentar seiner Stadt

Die Menschen merkten auf, wenn sie ihn sahen, denn dieser Mann schien aus dem Rahmen der damaligen Zeit gefallen zu sein. Kriegsversehrte, die in einem Rollstuhl saßen, waren kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nichts Außergewöhnliches, viele Tausend andere teilten sein Schicksal. Dass er einen Fotoapparat in der Hand hielt und Bilder schoss, erregte jedoch Aufsehen.

Text: Frank Wündsch/Redaktion EinDruck


Karl Heinz Mai hieß der Mann, der die Menschen zum Raunen brachte, wenn er in den Ruinen seiner Heimatstadt Leipzig unterwegs war. Denn die Fotografie schien eine Beschäftigung zu sein, für die die meisten seiner Zeitgenossen weder Zeit, geschweige denn Muße zu haben glaubten, da ihr Alltag vom Kampf ums tägliche Überleben geprägt war.

In der Vermutung, dass nach dem Krieg die Motive eines Fotografen auf Staub, Schutt und Trümmer beschränkt sein müssten, hielt Mai besonders jene Menschen im Bild fest, die in dieser wüsten Umgebung ihr Leben fristeten. Wer dem Fotografen damals begegnet war, staunte nicht nur wegen seiner für die damalige Zeit ungewöhnlichen Tätigkeit. Mai war mit einem Gefährt unterwegs, welches unwillkürlich ins Auge stach.

Es war ein Rollstuhl auf drei Rädern, ein sogenannter „Selbstfahrer“, den er durch die Muskelkraft seiner Arme in Bewegung setzen konnte. Bereits im Jahre 1941 hatte er beim Angriff auf die Sowjetunion beide Beine verloren und war zwei Jahre später nach langem Aufenthalt im Lazarett nach Leipzig zurückgekehrt. Doch auch dort holten ihn der Krieg und seine Bomben wieder ein. Das Haus, das er mit seinen Eltern bewohnte, wurde beim Luftangriff im Dezember 1943 zerstört. Die Familie musste nach Niederwiesa bei Chemnitz ziehen, um endlich Frieden vor dem Krieg zu finden. [...]